Projekt Terranova: Warum Terra­nova für Tera­hertz-Funk­netze forscht

Die steigende Zahl ver­netzter IoT-Ge­rä­te wird eine schier un­ab­seh­bare Flut von Da­ten er­zeu­gen. Noch drückt die fünfte Mo­bil­funk­gene­ra­tion nicht mit voller Last in die Rec­hen­zentren, da zeich­net sich schon ab, dass die von 5G ge­nutz­ten Fre­quenz­bänder mit­tel­fristig nicht mehr aus­rei­chen werden.

Datenlast jenseits von 5G

Von Friedrich List

Mit dem kommenden Mobilfunkstandard 5G sind enorme Leistungssteigerungen verbunden – mit Übertragungsraten von bis zu 10 GBit/s. Damit wird das mobile Netz noch schneller und leistungsfähiger, nachdem bereits mit dem heute genutzten 4G-Standard zahlreiche neue Anwendungen möglich geworden sind. Dazu gehören Videotelefonie, Video on Demand auf dem Handy, aber auch die Vernetzung von Maschinen und Fahrzeugen. Der Datenhunger wird aber immer größer. Das führt dazu, dass die heutige Datenrate von 1 GBit/s bald schon ein limitierender Faktor sein wird.

Das Netz von übermorgen

Deswegen werfen Wissenschaftler im Rahmen des Projekts Terranova einen Blick in die Zukunft jenseits von 5G und untersuchen, wie zukünftige Mobilfunkstandards aussehen könnten. Unter dem Dach dieses Projekts arbeiten Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF, des Fraunhofer-Instituts für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut HHI sowie weitere europäische Partner aus Forschung und Industrie an Lösungen für den Mobilfunk der übernächsten Generation. Ziel sind Netzverbindungen im Terahertz-Bereich, die so stabil sind, dass sie problemlos Daten mit Geschwindigkeiten von bis zu 400 GBit/s übertragen können.

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Am Terranova-Projekt sind außer den beiden deutschen Fraunhofer-Instituten noch das griechische University of Piraeus Research Centre und die finnische University of Oulu sowie JCP-Connect (Frankreich), Intracom Telecom (Griechenland), PICadvanced und Altice Labs (beide Portugal) beteiligt. (Bild: Terranova)

Im EU-geförderten Projekt Terranova geht es darum, Glasfasertechnologie mit der Richtfunkübertragung zu verbinden. „Die EU will mit der Förderung anregen, sich über Technologien jenseits von 5G Gedanken zu machen“, sagt Dr. Colja Schubert, zuständiger Gruppenleiter für optische Untersee- und Kernnetze im Fraunhofer-HHI. „Die Standardisierung für 5G ist noch in vollem Gange. Erst ab 2019 oder 2020 wird man über eine Standardisierung jenseits von 5G nachdenken.“

Höhere Datenraten, mehr Bandbreite

Mit dem Ausbau des Glasfasernetzes ließen sich natürlich hohe Datenraten erzielen. Aber das löst nicht das Problem, mobile Geräte oder drahtlos vernetzte Maschinen ebenfalls durch hohe Datenraten anzubinden. Deswegen bringt Terranova die Richtfunkübertragung ins Spiel. „Die Glasfasernetze werden bestehen bleiben“, sagt Projektleiter Dr. Thomas Merkle vom Fraunhofer IAF, „aber sie werden durch ein Funknetz im Terahertz-Bereich ergänzt.“ Und diese Funknetze sollen dieselbe Übertragungsqualität und Stabilität bieten wie Glasfasernetze. Terranova untersucht Frequenzbänder im Terahertz-Bereich, weil die Frequenzbänder im Gigahertz-Bereich schon durch 5G belegt sind.

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Neue Systemarchitekturen zur 5G-Integration von breitbandigen drahtlosen Terahertz-Verbindungen in optische Glasfaserstrecken sind das Ziel des Terranova-Projekts. (Bild: Terranova)

„Grundsätzlich gilt: Je niedriger die Frequenz, desto weniger Bandbreite. Um auf der Funkstrecke eine Datenrate zu erreichen, die mit der Glasfaser vergleichbar ist, muss daher auf Frequenzen im Terahertz-Bereich gesendet werden. Diese haben zwar eine niedrigere Reichweite als Frequenzen im Megahertz-Bereich, verfügen aber über eine deutlich höhere Bandbreite“, erläutert Dr. Merkle. „So liegen die Frequenzen bei 4G im Bereich von 800 bis 2600 MHz und damit bei einer Bandbreite von maximal 1 GBit/s. Bei Frequenzen im Terahertz-Bereich hingegen steht genügend Bandbreite zum Erreichen von Datenraten bis zu 400 GBit/s zur Verfügung“, so Dr. Merkle weiter. „Aus diesem Grund arbeiten wir an einem Transfer von optischer zu drahtloser Datenübertragung, das heißt, wir wollen das Potenzial, das in der Glasfaser liegt, voll ausschöpfen, es aber nicht auf das Kabel beschränken, sondern auch auf die Funkstrecke übertragen.“

Die Bandbreite ist tatsächlich die größte Herausforderung. „Je größer die Bandbreite, desto mehr Daten können übertragen werden“, erinnert Dr. Schubert. Will man mehr Bandbreite nutzen, muss man höhere Frequenzen verwenden. Dadurch lassen sich dann auch höhere Datenübertragungsraten erzielen.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „Rechen­zentren und Infra­struktur“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Störungsfreie Übergänge

„Dabei geht es jedoch nicht allein um die Geschwindigkeit der Datenübertragung“, fährt Dr. Schubert fort. „Eine weitere Herausforderung, die im Rahmen des Projekts angegangen wird, ist der nahtlose Übergang zwischen den verschiedenen Zugangstechnologien. Schon heute wechseln mobile Nutzer je nach Verfügbarkeit zwischen Mobilfunknetz und WLAN, und bei Laptops kommt zusätzlich die Möglichkeit hinzu, sich über Kabelverbindungen ins Internet einzuwählen. Es gibt allerdings derzeit keinen fließenden Wechsel zwischen den Zugangsarten, sodass es oft zu Unterbrechungen kommt. Im Rahmen von Terranova soll das Erleben und Erfahren für den Nutzer so gestaltet werden, dass er Übergänge zwischen den Zugangstechnologien gar nicht bemerkt.“

Die Wissenschaftler konzentrieren sich auf Frequenzen bei 300 GHz. Das Band ist nicht belegt und wird bisher nur von der Radioastronomie genutzt. Bei 300 GHz ist auch eine starke, laserartige Bündelung des Richtstrahls möglich, ohne dass dafür große Antennen notwendig sind. Daraus ergeben sich zudem Vorteile wie eine größere Stör- und Abhörsicherheit.

Serie: Digitale Infrastruktur
Die Einführung beginnt in Berlin und klärt die Rahmenbedingungen in Deutschland. Ein erster Regionalschwerpunkt widmet sich dann dem Westen und Nordrhein-Westfalen. Weitere Regionalreports konzentrieren sich auf den deutschen Südwesten und auf Bayern. Extra-Beiträge berichten außerdem über den Stand der NGA-Netze in Österreich und über die praktische, aber schwierige Mobilfunk-Dominanz in der Alpenrepublik.

Experimentelles Funkmodul

Ziel ist nun, ein Funkmodul zu bauen, das diese Frequenzen überträgt. Das macht die moderne Halbleitertechnik möglich. Dabei soll das Funkmodul möglichst energieeffizient und kostensparend arbeiten. Bei der Hardware-Entwicklung ergänzen sich beide Institute. Das Fraunhofer IAF bringt seine Expertise aus der Hochfrequenzfunktechnik und der Millimeterwellentechnik im analogen Bereich ein. Die Wissenschaftler dort beschäftigen sich also primär mit der Funkstrecke und der Integration von Funkmodulen auf den Chip. Dabei muss die Basisbandschnittstelle zur Glasfaser integriert werden und die Verarbeitung der Signale auf dem Chip gewährleistet sein.

Das Fraunhofer HHI greift auf seine Erfahrungen bei der Entwicklung von Netzkonzepten und bei zahlreichen 5G-Projekten zurück. Im Rahmen von Terranova erforschen die HHI-Wissenschaftler die Signalverarbeitung beim Abstrahlen der Signale durch die Richtfunkantenne. Die Signale müssen mit hoher Geschwindigkeit und zudem möglichst energiesparend verarbeitet werden. Das erfordert die Entwicklung spezieller Algorithmen. Experimentelle Hardware wird bereits im Labor getestet.

Serie: 5G-Mobilfunk
Teil 1 setzt beim Bandbreitenbedarf an, der durch die Decke schießt. WLAN und Mobilfunk liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen auf der Zielgeraden zu 10 GBit/s. Teil 2 schildert den Stand der Standards und interessiert sich eingehend für die Konsortien der Entwicklung. Teil 3 begibt sich auf die technische Seite. Es geht um die Grundlagen der 5G-Netze, um Ping-Zeiten und Frequenzen. Teil 4 schließlich erläutert den Stand der Dinge kurz vor der Frequenzversteigerung 2019. Drei Sonderberichte widmen sich der Möglichkeit von 5G-Campus-Netzen, berichten vom letzten Stand der 5G-Frequenzauktion und untersuchen, welche Berufe für den Netzaufbau gebraucht werden. Zum Schluss lohnt noch ein Blick nach Österreich: Dort gibt es 5G schon.

Praktische Anwendungen

Terranova will in drei Jahren den Prototypen eines Gesamtsystems demonstrieren. „Wir bereiten Schlüsseltechnologien vor, die dann die Industrie weiterentwickeln kann, wenn 5G etabliert ist“, sagt Dr. Merkle. Eine mögliche Anwendung der neuen Technologie ist die Versorgung von Hotspots, die nicht immer mit Glasfaserleitungen gesichert werden kann. Gerade im ländlichen Raum wären Alternativen hilfreich, weil nicht jeder einen Glasfaseranschluss bezahlen mag und auch viele ländliche Gemeinden bisher nicht ans Glasfasernetz angeschlossen sind. Eine andere Möglichkeit sind sogenannte Picozellen, also extrem kleine Mobilfunkzellen. Deren Anbindung durch Glasfaser wäre sehr teuer. Zudem hätten Picozellen kleinere Nutzerzahlen, wodurch wiederum höhere Datenraten übertragen werden könnten.

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Friedrich List ist Journalist und Buch­autor in Hamburg. Seit Anfang des Jahr­hunderts schreibt er über Themen aus Computer­welt und IT, aber auch aus Forschung, Fliegerei und Raum­fahrt, u.a. für Heise-Print- und Online-Publikationen. Für ihn ist SEO genauso interessant wie Alexander Gersts nächster Flug zur Inter­nationalen Raum­station. Außerdem erzählt er auch gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt.

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