Rückrufkostenversicherung

Der Vertrauensschaden ist schlimm genug

Von Anette Stein

Obwohl Deutschland im Ländervergleich bei Rückrufen einen Spitzenplatz einnimmt (im RAPEX-Jahresbericht mit 144 Meldungen noch vor Ungarn und Griechenland), fehlt in vielen Wirtschaftzweigen eine adäquater Schutz gegen dieses Risiko. Lediglich ein Großteil der Automobilzulieferer und zum Teil Hersteller von Lebensmitteln verfügen über eine entsprechende Rückrufkostenversicherung. Sie stellt eine Ergänzung zur Produkthaftpflichtversicherung dar.

Seit dem 01. 05. 2004 gilt in Deutschland das Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz – GPSG). Es löste das seit 01. 08. 1997 gültige (ProdSG) sowie das Gerätegesetz (GSG) ab.

Das GPSG regelt nun unter anderem, in welchen Fällen Hersteller, Produzenten und Händler zum Rückruf von Produkten für den privaten Gebrauch oder zu anderen Schadenverhütungsmaßnahmen verpflichtet sind. Mit dem GPSG hat sich die Haftung der Hersteller und Importeure aus Nicht-EU-Ländern für fehlerhafte Produkte verschärft. So ist das Inverkehrbringen „unsicherer“ Produkte explizit verboten. Wer Gefährdendes in Umlauf bringt, muss selbst für die Kosten für Rückrufe aufkommen.

Echte Vermögensschäden

Die Versicherer halten für diese Rechtslage das Konzept der Rückrufkostenversicherung bereit. Zwar sind Personen- und Sachschäden in der konventionellen Betriebshaftpflichtversicherung abgesichert und für bestimmte Vermögensschäden, die dem Abnehmer eines Produzenten entstehen, kommt die erweiterte Produkthaftpflichtversicherung auf. So genannte echte Vermögensschäden sind damit jedoch nicht abgedeckt.

Solche echten Vermögensschäden entstehen, wenn ein Händler oder Hersteller seine Produkte wegen Sicherheitsmängeln, durch die Verbraucher gefährdet sein könnten, zurückrufen oder vor ihrem Gebrauch öffentlich warnen muss. Die Kosten für derartige Maßnahmen übernimmt die Rückrufkostenversicherung. Doch nicht nur bestimmte Kosten des Eigenrückrufs sind abgedeckt, sondern auch wenn die zuständige Behörde das Unternehmen zu entsprechenden Handlungen verpflichtet, leistet der Versicherer.

Umfang und Ansprüche

In der Rückrufkostenversicherung sind die zur Gefahrabwehr von Personenschäden notwendigen Kosten versichert. Dieses sind im Einzelnen

  • Kosten durch die Benachrichtigung der Händler und Endverbraucher sowie Aufrufe in den Medien,
  • Transportkosten oder sonstige Kosten der Rückführung,
  • Kosten zur Überprüfung des Produkts,
  • Reparaturkosten vor Ort, wenn diese günstiger sind als der Austausch des Produktes,
  • Austauschkosten mangelhafter Produkte oder von Teilen davon (nicht aber die Kosten des neuen Produktes selbst sowie dessen Anlieferung zum Erfüllungsort),
  • Ein- und Ausbaukosten (nur dann, wenn dies die kostengünstigste Maßnahme ist),
  • Transportkosten für die Nachlieferung eines mangelfreien Produktes zum Ort der Schadenbeseitigung, soweit dieses zu einem anderen als dem ursprünglichen Erfüllungsort geliefert werden muss,
  • Kosten für die Vernichtung oder Beseitigung des Produktes, wenn sich die Gefahr nicht anders beseitigen lässt sowie
  • Kosten für die Ablauf- und Erfolgskontrolle der Rückrufaktion.

Ausgeschlossen sind Rückrufe

  • von Kfz- und Luftfahrzeugen bzw. -teilen (Spezialdeckungen),
  • von gentechnisch veränderten Produkten,
  • von Produkten, die ausgeliefert wurden, bevor die Versicherung wirksam war,
  • infolge von Produktmanipulation (Spezialdeckung) sowie
  • von Produkten, deren Herstellung, Eignung, Anwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nach dem im Zeitpunkt des Inverkehrbringens anerkannten Regeln der Technik oder Wissenschaft oder in sonstiger Weise noch nicht ausreichend erprobt war.

Nicht versichert sind Ansprüche

  • aus selbständigen Garantiezusagen,
  • auf Nachlieferung mangelfreier Produkte sowie der Transport dieser Produkte zum Erfüllungsort oder
  • wegen Folgeschäden wie Betriebsunterbrechung, Produktionsausfall, entgangenem Gewinn usw.

Leistungen und Kosten

Der Versicherungsschutz aus der Rückrufkostenversicherung besteht für den Versicherungsnehmer, seine gesetzlichen Vertreter und sämtliche Betriebsangehörige des versicherten Betriebs. Im Versicherungsfall erstattet der Versicherer den Vermögensschaden bis zur vertraglich vereinbarten Deckungssumme.

Die Prämie wird unternehmensindividuell ermittelt und bemisst sich entsprechend der jeweiligen Risikosituation. Kriterien dafür sind beispielsweise die Stückzahlen der hergestellten Produkte sowie die Art der Produktion, der Marktanteil, Auslandlieferungen und potenzielle Ein- und Ausbaukosten.

In der Rückrufkostenversicherung ist es üblich, einen Selbstbehalt zu vereinbaren.

Fazit: Vertrauen bilden, Kunden binden

Besonders bei Produkten und Leistungen, bei denen Kunden ein hohes Maß an Verlässlichkeit voraussetzen und die starke emotionale Reaktionen provozieren – die Palette reicht hier von Babynahrung bis zum Mittelklassewagen –, kann auch der Image-Schaden für das Unternehmen beträchtlich sein. Andererseits: Ein rechtzeitiger Rückruf, der auf Kundenzufriedenheit und Transparenz setzt, ist selbst ein PR-Instrument, das keineswegs nur negative Folgen haben muss. In jedem Fall muss sich eine Firma erst dann Sorgen um das Meinungsbild machen, wenn sie nicht schon durch die reinen Kosten des Rückrufs ins Schleudern gerät.

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