Strategisches Marketing im Mittelstand

Fahrplan für die Marktorientierung

Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group

Trotz aller Vorurteile ist strategisches Marketing in dynamischen Märkten ein wichtiges Instrument zur Unternehmensführung. Dabei es wesentlich mehr als die Gestaltung der nächsten Werbekampagne oder des nächsten Prospektes. Der Aufwand hält sich in Grenzen, und im Ergebnis liegt dann eine systematische und überprüfbare Analyse vor, die heute für den Produkterfolg nahezu unerlässlich ist. Außerdem stärkt die strategische Marketingplanung Unternehmern den Rücken bei Verhandlungen mit Kapitalgebern.

Wenn man mittelständische Unternehmer nach der Bedeutung von Marketing und speziell nach strategischem Marketing fragt, bekommt man oft solche Positionen zu hören: „Strategisches Marketing ist nur für die großen, internationalen Konzerne wichtig.“ „Nur bekannte Markenartikelhersteller mit hoher Werbepräsenz brauchen Marketing.“ „Produktflops gibt es auch trotz strategischem Marketing!“ Richtig ist, dass auch bei korrekter Anwendung der Instrumente des strategischen Marketings Misserfolge möglich sind. Gerade bei verbrauchernahen und bei innovativen Produkten lässt sich ein Produkterfolg nicht immer mit Sicherheit planen. Aber insbesondere bei Innovationen kann das Risiko für das Unternehmen deutlich reduziert werden. Dabei sind es allerdings auch in diesen Fällen häufig eher emotional bedingte Fehlentscheidungen der Verantwortlichen, die sich über gewonnene Erkenntnisse hinwegsetzen, was dann zu einem Misserfolg führt.

Basis für Position und Produkte

Wenn Marketing auch keine „todsichere“ Methode zur Vorhersage von Erfolgen ist, so bietet es dem aufgeschlossenen Unternehmer doch wichtige Entscheidungshilfen: Es stellt sicher, dass alle wichtigen Aspekte bei einer Entscheidung berücksichtigt werden. Damit ist auch schon klar, dass strategisches Marketing schon bei der Produktplanung beginnt und das Produkt über den gesamten Produktlebenszyklus begleitet. Die Aufteilung der bestehenden Ressourcen an Kapital, Zeit und Manpower kann bei konsequenter Durchführung einer marktorientierten Unternehmensplanung wesentlich effizienter und auf der Basis nachvollziehbarer Entscheidungen erfolgen. Damit ist das strategische Marketing auch ein wichtiges Element im Rating-Prozess zur Erlangung von Fremd- und Eigenkapital. Die erstellten Planungen müssen in sich konsistent sein und stringent auf den Ergebnissen des strategischen Marketings aufbauen. Transparenz ist hierfür eine notwendige Voraussetzung.

Zusätzlich erlaubt strategisches Marketing eine nachhaltige Positionsbestimmung für das gesamte Unternehmen am Markt. Wofür steht das Unternehmen, wie wird es von Kunden und Wettbewerbern wahrgenommen? Stimmen die eigenen Vorstellungen und die externe Wahrnehmung überein? – Diese Fragen sind für den Erfolg des Unternehmens von hoher Bedeutung!

Inhalte und Ziele

Entsprechend den Zielsetzungen bei der Einführung von strategischem Marketing im Unternehmen (egal welcher Größenordnung) ergeben sich auch die zu bearbeitenden Inhalte. Die erste Frage ist diejenige nach dem bearbeiteten Markt und einer sorgfältig überlegten Marktabgrenzung. Stellt ein Unternehmen z.B. Heizungsventile her, so muss der Unternehmer sich fragen, ob sie sich an den Massenmarkt für den Heimwerker (Baumärkte), an den Facheinzelhandel als Integrator oder an den Großkunden richten, ob die Produkte kosten- oder qualitätsgetrieben sind, ob eine Systemfähigkeit erforderlich ist etc. Was kennzeichnet die Zielgruppe, wer sind die Entscheider, wer sind die Beeinflusser? Welche Bestimmungen und Verordnungen regulieren die Märkte? Was sind die technischen Trends?

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Schwarz auf Weiß
Eine aus­führliche Dar­stellung für den Mittel­stand gibt Dr. Jürgen Kaack im Rat­geber „Produkt­entwicklung und Ziel­gruppen. Wie ein syste­matischer Ein­führungs­prozess Risiken mit Inno­vationen senkt“, den Sie kostenfrei als PDF in Vollversion im Pressezentrum des Mittel­stands­Wiki bekommen.

Es gilt also, den zu bearbeitenden Markt möglichst genau definieren und die Kernzielgruppen identifizieren. Ein Instrument hierfür ist die Zielgruppensegmentierung und die anschließende Zielgruppenanalyse. Häufig ergeben sich schon in diesem Stadium Diskrepanzen zwischen der Wirklichkeit und den Vorstellungen des Unternehmers. Wichtig sind u.a. die Antworten auf folgende Leitfragen:

  • Welche Kundenbedürfnisse soll das angebotene Produkt befriedigen und wie hoch ist der sich ergebende Produktnutzen?
  • Wird der Produktnutzen richtig in der Preisgestaltung berücksichtigt?
  • Welchen Marktanteil hat das Unternehmen im definierten Zielmarkt heute und welche Anteile kann es mittelfristig realistischerweise erreichen?
  • Welche Wettbewerber findet man in diesen Marktsegmenten? Welche Ziele verfolgen diese? Bauen Wettbewerber ihre Position aus oder ziehen sie sich zurück? Welche Segmente deckt der Wettbewerb noch zusätzlich ab, die das eigene Unternehmen nicht bedient? Hat der Wettbewerber aus diesem Vorgehen Vorteile in seiner Geschäftstätigkeit? Welche Produkt- und Vertriebspolitik verfolgt er?

Aus diesen Analysen ist eine Positionierung zunächst für das gesamte Unternehmen, dann aber auch für die einzelnen Produkte abzuleiten. Hieraus ergeben sich dann die Anforderungen an die Produktspezifikationen, aber auch an die Kommunikationsmaßnahmen und – nicht zu vernachlässigen! – an die erforderlichen Vertriebsstrukturen. Strategisches Marketing ist somit eine Voraussetzung zur effizienten Gestaltung der Vertriebskanäle und ihrer optimalen Aussteuerung. Dem Vertriebsprozess kommt dabei eine wichtige und leider viel zu oft unterschätzte Bedeutung zu!

Mit den gewonnenen Erkenntnissen wird dann ein für das Unternehmen verbindlicher qualitativer und quantitativer Business Plan für das einzelne Produkt (oder die Produktgruppe) im jeweiligen Geschäftsjahr erstellt, außerdem eine Budgetaufteilung, ein Maßnahmenplan mit Verantwortlichkeiten und Meilensteinen sowie ein Ausblick auf die zu erwarten Entwicklung in den nächsten fünf Jahren.

Umsetzung und Aufwand

Viele Einzelaspekte des strategischen Marketings sind jedem Unternehmer bekannt oder intuitiv bewusst. Häufig fehlt es allerdings an der Zusammenfassung der Ergebnisse und der Systematisierung bzw. Strukturierung im Vorgehen und bei der Ableitung der richtigen Schlüsse.

Es bietet sich an, die erstmalige Einführung des strategischen Marketings z.B. in Form des Programms „marktorientierte Unternehmensplanung“ zusammen mit einem neutralen externen Berater durchzuführen, der die Bestandsaufnahme und Analyse begleitet und den Prozess für das Unternehmen nach den jeweiligen Erfordernissen gestaltet. Nach der ersten Einführung ist die Arbeit mit den Instrumenten der „marktorientierten Unternehmensplanung“ nicht mehr besonders zeitaufwändig. Der Prozess der dynamischen Marketingplanung sollte auf jeden Fall einmal im Jahr durchlaufen werden. Dabei sind sowohl bei der ersten Einführung als auch bei der laufenden Wiederholung alle wesentlichen Bereiche des Unternehmens, von der Entwicklung über die Produktion, den Vertrieb und das Controlling mit einzubeziehen. Das Ergebnis des Prozesses sind operative Ziele für das Unternehmen, die Produktbereiche und die Produkte nach Marktanteilen, Wettbewerbsposition, strategischen Kunden; definiert werden außerdem Budgets und konkrete Handlungsmaßnahmen für die einzelnen Beieiche. Je nach Größe des Unternehmens und Komplexität des Geschäftsmodells kann ein solcher Prozess bis zu vier Wochen dauern (allerdings bei nicht ununterbrochener Tätigkeit).

Fazit: Vorausschauen ist Chefsache

Strategisches Marketing liefert die Erkenntnisse und Vorgaben, die zur Erstellung einer gesicherten Geschäftsplanung notwendig sind, und macht es möglich, die in allen Bereichen begrenzten Mittel bestmöglich einzusetzen. Ein anderes wesentliches Ergebnis ist die Definition von nachvollziehbaren Zielen, die auch gegenüber Kapitalgebern argumentiert und im Nachhinein verifiziert werden können.

Der Aspekt der Nachvollziehbarkeit und der laufenden Überprüfung der Zieleinhaltung ist gerade unter den veränderten Randbedingungen für die Kapitalbeschaffung – unabhängig davon, ob es sich um Eigen- oder Fremdkapital handelt – eine wichtige Voraussetzung für Vergabeentscheidungen. Damit kommt gerade dem strategischen Marketing eine zunehmend wichtigere Rolle im Unternehmen zu. Eine vorausschauende Planung über den Produktlebenszyklus, die es dem Unternehmen erlaubt, seine Marktposition zu festigen oder weiter auszubauen, ist ohne die konsequente Anwendung von Instrumenten der strategischen Marketingplanung heute kaum noch vorstellbar. Somit ist das strategische Marketing keinesfalls eine untergeordnete Funktion der Kommunikationsabteilung, sondern eine der wichtigsten Aufgaben insbesondere für die Unternehmensführung.

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