Deutsche Aufsichtsräte: Netzwerke der wirtschaftlichen Macht unter der Lupe

Wenn sich mittelständische Unternehmer in Konkurrenz zu großen Un­ter­nehmen um Aufträge von Konzernen bemühen, haben sie nicht selten das Gefühl, gegen unterschwellige Seilschaften an­zu­kämp­fen. Nur eine Täuschung? Tatsache ist, dass eine aktuelle Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) eine ebensolche Ver­net­zung nachweist. Nur selten stehen dahinter böse Ab­sichten. Den­noch verleihen diese Netzwerke einer kleinen Gruppe eine be­son­dere Macht. Deshalb ist die Anzahl der Mehrfachmandate laut Aktiengesetz auch beschränkt – leider mit wenig Wirkung, wie die Studie zeigt. IfW-Finanzmarktexperten Thomas Lux, Hauptautor der Studie hält die Beschränkung nach dem Aktiengesetz sogar schlicht für das falsche Instrument zur Kontrolle.

Die Studie, die in Zusammenarbeit mit Mishael Milaković und Simone Alfarano entstand, zeigt nämlich, dass es trotz der Beschränkungen durch das Aktiengesetz in Deutschland eine kleine Anzahl von Managern gibt, die einen überproportionalen Einfluss im gesamten Netzwerk und damit auch auf die Gestaltung der Wirtschaftspolitik haben. Besonders auffällig ist – so die Autoren der Studie — dass eine große Mehrheit von Managern mit Mehrfachmandaten bei hoch kapitalisierten Unternehmen tätig ist. Grund: Besitzt ein Manager bereits Mehrfachmandate, dann ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass ihm weitere Mandate angedient werden. Bei einer steigenden Anzahl von Mandaten stehen die Manager aber immer zentraler im gesamten Netzwerk und sind dichter untereinander verbunden.

Die wichtigsten Eigenschaften von Managern aus der Netzwerkperspektive sind der Studie zufolge nicht ihre persönlichen Eigenschaften, sondern die jeweilige Marktkapitalisierung der von ihnen repräsentierten Unternehmen bzw. das soziale Kapital ihrer Verbindungen bei hoch kapitalisierten Aktiengesellschaften. Hoch kapitalisierte Unternehmen berufen demnach Aufsichtsräte, die bereits bei anderen hoch kapitalisierten Unternehmen tätig sind.

Lux hat denn auch starke Zweifel, ob die im Aktiengesetz vorgeschriebene Höchstzahl an Mehrfachmandaten ein geeignetes Instrument ist, um wirtschaftspolitische Lobby-Einflüsse zu vermeiden. 15 Aufsichtsratsmitglieder bei kleineren Unternehmen würden seiner Beobachtung nach weniger Gruppendruck und -einfluss aufbauen als fünf Mitglieder bei den größten Unternehmen. Insbesondere wenn die Aufsichtsratskollegen dieser großen Unternehmen auch bei verschiedenen anderen hoch kapitalisierten Unternehmen tätig sind.

Die Studienautoren untersuchten die 284 größten deutschen Aktiengesellschaften im Jahr 2008, die insgesamt 95 % der Marktkapitalisierung der Deutschen Börse ausmachen. In diesen Aktiengesellschaften sind 3383 Manager tätig. Die Studie erschien in der Fachzeitschrift Computational and Mathematical Organization. Sie steht (in englischer Sprache) als kostenloser Download im Internet bereit.

Hinweis: Zum Verständnis sind neben Englisch auch statistisch-mathematische Grundkenntnisse nötig.

(IfW / ml)