Kernkraftdebatte: Laufzeitfrage bleibt unbeantwortet

Das jetzt vorliegende Gutachten für das Bundeswirtschafts­mi­nis­teri­um ist nach Meinung der Wissenschaftler des Instituts für Welt­wirt­schaft der Universität Kiel allein schon aufgrund konzeptioneller Schwächen nicht in der Lage, die Frage nach den optimalen Lauf­zei­ten von Kernkraftwerken zu beantworten. Warum das so ist, beschreiben die IfW-Umweltexperten Gernot Klepper und Sonja Peterson in einer ausführlichen Analyse. Ihre Kritik: Das Gutachten vergleiche Äpfel mit Birnen. Die Analyse der beiden IfW-Umwelt­ex­per­ten ist als Kiel Policy Brief erschienen und steht als kostenloser Download im Internet zur Verfügung.

Das Regierungsgutachten vergleicht den jetzigen Stand der Gesetzgebung – das Re­fe­renz­szenario – mit acht Alternativszenarien mit unterschiedlichen Laufzeitverlängerungen zwischen 4 und 28 Jahren. In diesen Szenarien wird jedoch nicht nur die Auswirkung einer Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken berechnet. Unterstellt werden auch ein zukünftig schnellerer technischer Fortschritt im Energiebereich und zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen im Ausland. Die Auswirkungen der 8 Szenarien werden ausschließlich den Laufzeiten zugeschrieben, obwohl sie nach Meinung der IfW-Umweltexperten wahrscheinlich stärker von den anderen Einflussfaktoren abhängen.

Die Wissenschaftler des IfW können dem Gutachten dennoch einige Erkenntnisse abgewinnen: Es verdeutlicht ihrer Ansicht nach, dass der Endenergieverbrauch in allen Wirtschaftsbereichen zukünftig abnimmt, unabhängig davon, ob die Kernkraftwerke 4, 12, 20 oder 28 Jahre länger laufen. Mit anderen Worten: Innovationen im Energiebereich, eine effizientere, auf höhere CO2-Preise basierende Klimapolitik und Verhaltensänderungen der Haushalte machen den großen Unterschied aus. Das Gutachten zeige auch, so Klepper und Peterson, dass bei einem Ausbau erneuerbarer Energieträger weder die Energiepreise explodieren noch das Wirtschaftswachstum oder die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie größeren Schaden nehmen.

Eine Brückenfunktion der Kernkraft, die immer wieder ins Feld geführt wird, ist aus diesen Analysen nicht zu erkennen. Auf die umstrittene Frage, ob und um wie viele Jahre die Laufzeiten der Kernkraftwerke aus volkswirtschaftlicher Sicht verlängert werden sollten, finde das Gutachten keine Antwort, kritisieren die IfW-Umweltexperten. Es gebe nicht einmal Hinweise darauf, ob diese Option überhaupt sinnvoll ist.

(IfW / ml)

Umwelt­ex­per­ten