Kienbaum-Studie: Chancen der Nachhaltigkeit erst auf dem Papier erkannt

Deutsche Unternehmen hätten zwar die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit erkannt, die Umsetzung stecke jedoch noch in den Kinderschuhen, kritisiert eine Studie der Managementberatung Kienbaum. Die Studie zeigt, dass zwar knapp drei Viertel der Unternehmen bereits eine Organisationseinheit für Nach­hal­tig­keits-Management aufweisen, diese jedoch bei knapp der Hälfte dieser Firmen erst im Aufbau beziehungsweise in der Etablierung begriffen ist. An der Umfrage zur Studie nahm rund die Hälfte der deutschen Top-50-Unternehmen teil.

„Das Nachhaltigkeits-Management ist bei einem Großteil der Unternehmen noch in der Findungsphase. In mehr als der Hälfte der Firmen klafft eine beträchtliche Lücke zwischen selbstdefiniertem Anspruch und den aktuellen organisatorischen Strukturen“, mahnt Alexander von Preen, Geschäftsführer bei Kienbaum. Das sei mittelfristig vor allem nach außen eine erhebliche Gefahr für die Glaubwürdigkeit des Unternehmens und damit auch ein wirtschaftliches Risiko.

Nachhaltigkeits-Management ist laut Umfrage in der Regel Chefsache: Nahezu alle (94 %) Organisationseinheiten, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeits-Management beschäftigen, berichten an einen Vorstand. 82 % der Gremien, die mit der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie sowie der Koordination des Nachhaltigkeits-Managements im Gesamtunternehmen beauftragt sind, werden zudem von einem Vorstand geleitet und in mehr als 60 % der Unternehmen vertritt der Vorstandsvorsitzende das Nachhaltigkeits-Management nach außen. Jedoch ist die Organisationseinheit Nachhaltigkeit nur in 41 % der befragten Firmen dem Vorstand direkt disziplinarisch zugeordnet.

„Die disziplinarische Einbettung in bestehende Organisationseinheiten könne den Vorstand zwar entlasten, werde der Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit aber nicht gerecht, warnt von Preen. Die Verankerung der Thematik in der Konzernkommunikation – das ist in gut einem Drittel der Unternehmen der Fall – berge zudem die Gefahr des sogenannten Greenwashing. Dabei dient Nachhaltigkeit überwiegend als Kommunikationsstrategie nach außen, schlägt sich aber im Handeln nicht nieder. Der Kienbaum-Experte mahnt daher eindringlich: „Die Organisationseinheit Nachhaltigkeits-Management dem Umweltressort zuzuordnen, was derzeit knapp ein Viertel der Unternehmen tut, verhindert Chancen bezüglich der Öffnung der Nachhaltigkeitsorganisation hin zu den Themenfeldern Soziales und Ökonomie“.

Wie die Studie auch ergab, sind die Nachhaltigkeitsziele in der Organisation häufig nur mangelhaft verankert: Zwar sind sie in mehr als der Hälfte der Unternehmen expliziter Bestandteil der Konzernstrategie, jedoch nur in 11 % Bestandteil des Steuerungs- und Anreizsystems, obwohl z.B. in das neue Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) das Thema Nachhaltigkeit als wesentliches Vergütungselement aufgenommen wurde. Bei 8 % der befragten Unternehmen wird Nachhaltigkeit lediglich im Leitbild genannt, in 27 % der Fälle findet es in den Unternehmenszielen explizit überhaupt nicht statt.

Fast alle Unternehmen bemühen sich, Transparenz bezüglich der Nachhaltigkeitsziele zu schaffen, jedoch kommunizieren nur 46 % auch operative Ziele für das Nachhaltigkeits-Management nach außen. Rund 15 % informieren die Öffentlichkeit überhaupt nicht über ihre Ziele. „Dabei würde es die Glaubwürdigkeit erheblich steigern, wenn die Unternehmen ihre operativen Ziele beim Thema Nachhaltigkeit im gebotenen Umfang nach außen kommunizieren würden. So können sie der Öffentlichkeit glaubhaft machen, dass ihre Nachhaltigkeitsstrategie mehr ist als ein Mode-Thema“, rät von Preen.

In 54 % der befragten Unternehmen sind ein zentrales Gremium und eine spezialisierte Organisationseinheit Träger des Nachhaltigkeits-Managements. Bei jeweils knapp einem Fünftel der Befragten existiert entweder ein Nachhaltigkeits-Gremium oder eine Nachhaltigkeits-Organisationseinheit. In 8 % der Unternehmen gibt es gar keine organisatorische Einheit, die für das Nachhaltigkeits-Management verantwortlich ist.

Das Nachhaltigkeits-Gremium rekrutiert sich, neben Vertretern der operativen Geschäftsfelder, in der Regel aus zentralen Organisationseinheiten bzw. Corporate Center Funktionen, wobei neben der Einheit Nachhaltigkeit/Umwelt (75 %) Mitglieder des Personalbereichs (69 %) und der Unternehmenskommunikation (63 %) dominieren. Alle Nachhaltigkeits-Gremien bearbeiten strategische Nachhaltigkeits-Fragen. Jedoch legen nur 47 % der Gremien neben dieser strategischen Ausrichtung auch einen Schwerpunkt auf deren operative Umsetzung. „Um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, bedarf es in Zukunft deshalb vermehrter Anstrengungen, um den Transfer in operative Prozesse und Projekte sicherzustellen“, sagt v. Preen.

Mit 41 Prozent liegt der Schwerpunkt des Nachhaltigkeits-Managements, wie schon seit vielen Jahren üblich, auf der Kommunikation dieser Thematik nach Innen und Außen. Erst bei gut einem Drittel der Unternehmen geht es darüber hinaus um Koordinierung und Steuerung, wozu es allerdings wesentlich mehr Personal bedarf. Jedoch bedeutet eine stärkere Gewichtung der Steuerungsrolle zugleich eine Entlastung für andere Abteilungen. Derzeit setzen Unternehmen, deren zentrale Organisationseinheit Nachhaltigkeit sich auf das Thema Kommunikation konzentriert, dort im Durchschnitt drei Mitarbeiter ein. Hingegen sind zentrale Organisationseinheiten Nachhaltigkeit mit zusätzlich steuernder Funktion mit durchschnittlich zwölf Mitarbeitern ausgestattet.

Das Fazit: Nachhaltigkeit ist mittlerweile von den Unternehmen als wichtiges Zukunftsthema erkannt worden. Die Studienergebnisse zeigen jedoch die Notwendigkeit, das Thema auch nachhaltig in Unternehmen zu verankern. Um dies zu erreichen, sind Anpassungen in der Organisation und Konkretisierungen von Zielen im Führungs- und Steuerungsprozess nötig.

Die Kienbaum-Studie Chancen und Herausforderungen der nachhaltigen Unternehmensführung kann kostenfrei per E-Mail (tobias.weisel@kienbaum.de) angefordert werden.

(Kienbaum / ml)