Schwarz-rote Neuordnung des Arbeitsmarktes: Ver.di und BDI sind einander näher als gedacht

Links: Dr. Dierk Hirschel, ver.di, rechts Dieter Schweer, BDI
Links: Dr. Dierk Hirschel, ver.di, rechts Dieter Schweer, BDI

Wie viel Rot wird die schwarz-rote Koalition in den Arbeitsmarkt einbringen? Diese bange Frage stellen sich derzeit viele Unternehmer. Die Arbeitnehmervertreter hoffen wiederum, die SPD möge in den Verhandlungen mit CDU/CSU einige Kernanliegen ihrer Klientel durchsetzen. Aber wie breit ist der Graben zwischen den beiden Seiten wirklich? Wir befragten Dr. Dierk Hirschel von Ver.di (links im Bild) und Dieter Schweer vom BDI (rechts).

Ganz weit oben auf der Agenda steht für beide Lager das Thema flächendeckender Mindestlohn. Entsprechend offensichtlich ist die Freude des Chefökonomen der Gewerkschaft Ver.di, Dr. Dierk Hirschel, über das faktische Einvernehmen der künftigen Koalitionspartner, einen flächendeckenden Mindestlohn einzuführen. Arbeitgebervertreter Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) kommentiert die sich abzeichnende Einigung hingegen deutlich resignativ mit den Worten „Wenn der Bundestag das so beschlossen hat, werden wir uns darauf einstellen müssen“. Er würde sich einen nach Branchen und Regionen flexiblen Mindestlohn wünschen.

Ver.di-Vertreter Hirschel hält die Einführung eines Mindestlohns aber nicht für ausreichend. Die Arbeitnehmerseite hoffe darüber hinaus auf kräftige Reformen bei der Leiharbeit, so Hirschel weiter. Nötig sei eine gleiche Bezahlung der Leiharbeiter gegenüber den fest angestellten Arbeitnehmern – Stichwort „Equal Pay“ – sowie ein Verbot, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen. Außerdem solle die Politik endlich den Missbrauch von Werkverträgen und die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen stoppen. Nur so könne Deutschland gerechter werden.

Sehr viel kürzer fällt die Wunschliste des BDI-Vertreters Schweer aus: Er wünsche sich neben einem flexiblen Mindestlohn eine flexible Leiharbeit, die – Stichwort „atmende Fabrik“ – auch in Zukunft Produktionsspitzen abzufedern vermag, sowie eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit, über die man sich in der letzten Legislaturperiode leider nicht habe einigen können.

Einig waren sich unsere beiden Gesprächspartner hingegen beim Thema Bildungsinvestitionen: Beide fordern, man müsse seitens der Politik deutlich mehr in die Ausbildung investieren, um langfristig den Fachkräftemangel zu beheben.

Für uns bleibt nach dieser kleinen Gesprächsrunde unter dem Strich die positive Erkenntnis, dass mit Blick auf die Ziele beide Seiten mehr gemein haben, als sie glauben machen wollen, dabei lediglich unterschiedliche Wege und Schwerpunkte favorisieren. Die Chance auf eine fruchtbare Vernunftehe auf der politischen Bühne Berlin sind demnach größer als gedacht. (ml)