Corona-Krise: Die Schmerz­grenze im Mittel­stand liegt bei 6 Monaten

In einer Sofortreaktion auf das milliarden­schwere Hilfs­paket, das der Bundes­tag gestern nahe­zu ein­stimmig ge­billigt hat, be­wertet das In­stitut für Mittel­stands­forschung (IfM) Bonn die Maß­nahmen aus Sicht der kleinen und mittleren Unternehmen.

Grundsätzlich begrüßt IfM-Präsidentin Prof. Dr. Friederike Welter die Finanzhilfen und Maßnahmen – Kurzarbeit, Kredithilfen etc. – als „sehr positives Zeichen“. Ob sie ausreichen und ihr Ziel erreichen, wird dem Institut zufolge aber davon abhängen, wie lange die Corona-Krise tatsächlich dauert. Grundsätzlich ist der deutsche Mittelstand derzeit besser gewappnet als etwa zu Beginn der Finanzkrise in 2008/2009. Damals lag die Eigenkapitalquote im Mittelstand bei rund 24 %, den letzten Zahlen zufolge (2017) liegt sie nun bei 29 % und entspricht nahezu dem Wert von großen Unternehmen (32 %). Allerdings gibt es heute mehr kleine Unternehmen als 2008, und der Anteil der (Kleinst-)Unternehmen, die überhaupt kein Eigenkapital ausweisen, ist doch beträchtlich. Hierzu Prof. Welter:

„So verfügt rund jedes vierte Unternehmen – also etwa 770.000 Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 17.500 Euro und maximal einer Million Euro Jahresumsatz – sogar über kein Eigenkapital. Für sie ist aktuell die Gefahr einer Liquidation deutlich höher als für die größeren Unternehmen.“

Im Einzelhandel etwa gilt dies für ein ganzes Drittel der erfassten 340.000 Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 17.500 und einer Million Euro Jahresumsatz. Hier sei der Soforthilfe-Fonds für Solo-Selbstständige und Kleinstbetriebe wichtig, der abgestufte Einmalzahlungen für eine Überbrückung von drei bis maximal fünf Monate vorsieht. Entsprechend unterscheidet das IfM zwei Szenarien, je nach Dauer der Krise:

Im ersten Fall (maximal ein halbes Jahr) sieht das Institut auch den kleineren Mittelstand relativ robust aufgestellt, sodass Verluste „nicht unbedingt gleich zur Liquidation führen“ müssen. Bereits hier gelten jedoch Ausnahmen, namentlich „für Kleinstunternehmen und Wirtschaftszweige ohne digitalisierbare Dienstleistungen oder Vermarktungswege wie in der Kultur-, Unterhaltungs- und Freizeitwirtschaft, im Tourismus- und Gaststättengewerbe“. In diesen Zweigen müsste früher und öfter bereits die Grundsicherung einspringen. Hilfreich ist, dass die bisherige Vermögensprüfung „im Zuge der aktuellen Maßnahmen nun offenkundig ausgesetzt wird“. Tatsächlich notiert die Bundesregierung zum Sozialschutz-Paket bei den „Hilfen für Künstler und Kreative“:

„Das vorhandene Vermögen muss, solange es nicht erheblich ist, nicht angetastet werden, die komplexe Vermögensprüfung entfällt.“

Bislang ist das in den Jobcentern aber ebenso „offenkundig“ noch nicht angekommen, wie Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung nicht ohne Bitterkeit berichtet.

Im zweiten Szenario (länger als sechs Monate) ist mit einer höheren Zahl von Insolvenzen zu rechnen, auch weil Ausfälle in der vernetzten Wirtschaft dann verstärkt auf Zulieferer und weitere mittelständische Branchen durchschlagen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erkennt das IfM daher als wirksam vorbeugende Maßnahme, es weist aber zugleich darauf hin, „dass das Schutzschirmverfahren im Insolvenzrecht auch eine Chance zur Krisenlösung bietet“.

Thema: Insolvenz
Ein Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.