Drohende Insolvenz abwenden: Welche Maßnahmen die drohende Insolvenz abwenden

In vielen Unternehmen steht es derzeit Spitz auf Knopf: Lohnt es sich, vor der Insolvenz noch einmal alles in eine Sanierung und Re­strukturierung zu investieren? Dieser Beitrag erklärt, welche Optionen dann noch offen sind – unter einer Voraus­setzung: Sie lügen sich nicht in die eigene Tasche.

Sofortmaßnahmen der Sanierung

Von Axel Oppermann

Manchmal kann aktives Gegensteuern den GAU verhindern. Nämlich dann, wenn rechtzeitig Sanierungsmaßnahmen ergriffen werden.

Schon vor dem Eintreten der Corona-Situation lebte bzw. überlebte ein Großteil von Unternehmen quasi „von der Hand in den Mund“. Nur war es oftmals für die Allgemeinheit nicht sichtbar. Und für die betroffenen Geschäftsführer war es maximal ein unterschwelliges Problem. Die eigentliche Situation wurde meist nicht überrissen. Es gilt also: Nicht erst durch COVID-19 befinden sich zahlreiche kleinere und mittelständische Unternehmen in einem Krisenmodus. In einer Situation, die – zugespitzt ausgedrückt – über Leben und Tod entscheidet. Über Fortbestehen des Unternehmens oder Liquidation. Gründe für die momentane Situation lassen sich regelmäßig in drei Cluster segmentieren:

  1. Unternehmen in einer Liquiditätskrise bzw. mit Liquiditätsproblemen;
  2. Unternehmen mit Produkt- und Absatzkrise bzw. -problemen;
  3. Unternehmen mit sichtbaren Strategieproblemen.

Das Problem: Viele Verantwortliche erkennen Schwierigkeiten oder aufziehende Krisen nicht frühzeitig. Und wenn sie sie erkennen, ignorieren sie sie oft. Das Muster dahinter: Nicht-wahrhaben-Wollen der Situation. Oft wird von der „Hoffnung auf Besserung“ gesprochen. Obschon Hoffnung ein wichtiges Element in der persönlichen Einstellung ist, ist Hoffnung keine Management-Strategie, ist keine Taktik.

Die Lage in der Unternehmenskrise

Die COVID-19-Pandemie hat in vielen Unternehmen die Situation nur verschärft und sichtbar gemacht. Diese Unternehmen haben in der derzeitigen Situation regelmäßig nur zwei Optionen:

  1. eine solide Vorbereitung und eine Strategie für eine Insolvenz zu realisieren.
  2. Oder letzte Energie und Mittel in eine Sanierung und Restrukturierung zu investieren
Nachfolgend wird der Begriff „Sanierung“ aus Gründen der Vereinfachung nicht zwingend im Rahmen einer rechtlichen Definition/Bewertung verwendet, sondern vielmehr synonym für bestimmte Aktivitäten, die Situation des Unternehmens zu verbessern.

Wichtig ist: Bevor man sich für eine aktive Sanierung und Restrukturierung entscheidet, muss zwingend analysiert werden, ob es sich bei der momentanen Krisensituation um eine grundsätzlich „beherrschbare Krise“ oder eine „nicht beherrschbare Krise“ handelt. Eines sei dabei gleich gesagt: kein leichtes Unterfangen. Warum? Einerseits wegen der Deut- und Bewertbarkeit der Situation. Andererseits wegen des enormen zeitlichen Drucks. Der Tod des Unternehmens ist zeitlich genauestens festgelegt. Grob gesagt hat er diese Namen: Zahlungsunfähigkeit, die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung.

Empfohlen wird, egal für welchen Weg man sich entscheidet, auf eine Dokumentation aller Aktivitäten zu achten.

Ziel: Sanierung und/oder Restrukturierung

Hat man sich als Geschäftsführer oder Verantwortlicher für eine Sanierung bzw. Restrukturierung entschieden, sind zahlreiche Aktivitäten zu planen und zu koordinieren. Im Mittelpunkt steht eine Krisenanalyse. Hierbei müssen Handlungsbedarfe ermittelt und auf einer zeitliche Achse priorisiert abgebildet werden. Empfehlung an dieser Stelle: das Auf- und Abzinsen der Probleme.

Im Rahmen der Analyse und der Planungen ist es wichtig, immer gewahr zu sein, dass alle Aktivitäten in zwei Szenarien enden können: in einer erfolgreiche Sanierung; oder in einer nicht erfolgreichen Sanierung mit dem Endergebnis Insolvenz oder Liquidation.

Strategien zur Insolvenz
Im aktuellen Ratgeber sagt Axel Oppermann, wie sich Geschäftsführer am besten auf eine Insolvenz gefasst machen und dabei die Firma, ihre Assets und sich selbst schützen. Er skizziert außerdem, welche Maßnahmen es gibt, um unter Umständen die Insolvenz noch einmal abzuwenden. Woher dieses Wissen kommt, erzählt er offen im Interview: aus eigener Erfahrung.

Diese Erkenntnis ist umso wichtiger, als ein fehlerhaftes bzw. nicht verantwortungsvolles Handeln in der Sanierungsphase zu ernsthaften persönlichen Konsequenzen in einer möglichen Insolvenzphase führen kann bzw. persönlich in der Zukunft Nachteile bringt. Oder, etwas plumper: Sie müssen im Rahmen einer Sanierung nicht alles gut finden, was wirksam ist. Vermeiden Sie aber jedwede kurzfristigen Rettungsversuche und Management-Stunts, die möglicherweise in einen Graubereich fallen, die Dritte als nicht legitim einstufen könnten bzw. deren Umsetzung Ihnen als ein nicht verantwortungsvolles Handeln (im Sinne der entsprechenden rechtlichen Rahmenparameter) ausgelegt werden kann. Selbst dann, wenn sie dem Unternehmen kurzfristig einen Vorteil verschaffen. Klar, diese Empfehlung ist leichter ausgesprochen als umgesetzt. Aber: It is what it is. Wenn Sie keine Risiken eingehen wollen, werden Sie zukünftig für jemanden arbeiten, der sie eingeht.

Die Herausforderungen der Sanierung

Meistens haben die Handelnden in den Unternehmen in diesem Bereich der Unternehmensführung wenig Erfahrung und wenig Kompetenzen. Hinzu kommt, dass die Beauftragung eines externen Sanierungsexperten kurzfristig nicht finanzierbar ist.

Der zusätzliche Arbeitsaufwand neben dem „normalen Tagesgeschäft“ ist enorm. Das Bereitstellen und Planen zusätzlicher Personalkapazitäten bzw. HR ist von zentraler Bedeutung. Doch das größte Problem von allen wird sein, alle Maßnahmen qualitativ umzusetzen. Kurzum: Verantwortliche befinden sich in einem Spannungsdreieck aus (fehlender) Kompetenz, mangelnden personellen Ressourcen und fehlender Zeit. Im Falle einer akuten Liquiditätskrise wird das Spannungsdreieck zwangsläufig zum Viereck. (Fehlende) Liquidität ist dann der zusätzliche hemmende Faktor.

Strukturierte Umsetzung

Je nach Ausgangslage der Krise bzw. je nach Krisenart sind unterschiedliche Aufgaben und Aktivitäten zu priorisieren. Wie erwähnt: in Form einer Liste. Als hilfreiches Instrument empfehlen sich Checklisten. Obschon solche Listen in mannigfacher Form im Internet zu finden sind, gilt es, für die eigenen Bedarfe eine Checkliste zu erstellen bzw. einen Handlungsplan zu erarbeiten. In solchen Listen werden Maßnahmen benannt, Verantwortliche definiert, der Aufwand skizziert und Laufzeiten bzw. Meilensteine festgelegt. Ferner werden vor Beginn der Maßnahme die angestrebten Ziele festgehalten. Je nach Ausgangslage können dies exemplarisch eine verbesserte Ertragslage, verbesserte Liquidität oder nicht monetäre Größen sein.

Eine solche Liste sollte grundsätzlich dynamisch (agil bzw. antifragil) gemanagt werden. Unternehmer, die Erfahrung im Bereich DevOps (Development Operations) oder MktgOps (Marketing Operations) haben, sollten diese Expertise in die Sanierungs- bzw. Restrukturierungsaktivitäten transformieren. Dies bedeutet zunächst Aufwand, wird sich aber lohnen. Und auch wenn es noch mehr Aufwand bedeutet, sollten die einzelnen Aktivitäten zeitnah in dezidierten Berichten dokumentiert werden. Einerseits, um die Prozesse zu optimieren. Andererseits, um alle Aktivitäten zu dokumentieren.

Thema: Insolvenz
Ein juristischer Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.

Beispiele für Sanierungsmaßnahmen

Wie erwähnt: Je nach Ausgangslage unterscheiden sich Prioritäten und Aufgaben im Rahmen einer Sanierung bzw. Restrukturierung. Nachfolgend eine Auswahl von (primär) operativen Aktivitäten und Maßnahmen im Falle einer Liquiditätskrise. (Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.)

Im Rahmen einer liquiditätsorientierten taktischen und operativen Optimierung sind folgende Maßnahmen zu berücksichtigen:

  • Basics (ohne Finanzierungsmaßnahmen über Banken etc.)
    • Optimierung der Zahlungsströme bzw. optimierte Fakturierung und Mahnprozesse gegenüber Kunden
      • Ratenzahlungsvereinbarungen mit Lieferanten
      • Erweitern bzw. Nutzen der Zahlungsziele
      • Kürzung der Zahlungsziele gegenüber Kunden; ggf. in Kombination mit Skonto-Optionen; Credo: Liquidität geht vor Rentabilität.
      • Prüfen aller Zahlungen (aller Kreditoren) auf Überzahlungen bzw. auf versäumte Abzüge
    • Abverkauf bzw. Drittverwertung (u. a. Entsorgung) von Lagerware
    • Reduktion von Materialbeständen (Optimieren der Beschaffung)
    • Nachverhandeln von Beschaffungs- bzw. Rahmenverträgen
    • Preiserhöhung
    • Preisreduktion
    • Stoppen von Investitionen
    • Mietkürzungen
    • Optimierte Steuerzahlung
      • Anträge auf Steuerstundung bzw. Aufschub von Vollstreckungsmaßnahmen
      • Vereinbarung über Zinsverzicht des Finanzamts
      • Antrag auf Herabsetzung von Steuervorauszahlungen
  • Erweitert
    • Finanzierung über Banken und Dienstleister
      • Trotz geringer Realisierbarkeit: Optimieren vorhandener Darlehen und Generieren neuer liquidier Mittel bei der Hausbank und bei weiteren Instituten. Hilfsmittel: Sanierungs- bzw. Restrukturierungsplan. Wichtig: Auch wenn es oftmals in der Verhandlung mit den Instituten ein K.o.-Kriterium ist, sollten in der momentanen Situation keinesfalls private Sicherheiten bzw. selbstschuldnerische Bürgschaften eingebracht werden. Hier ist es wichtig, der Bank ein entsprechendes Narrativ darzubieten.
      • Factoring (Forderungsverkauf). Anmerkung: Auch wenn es teuer ist, gilt: Liquiditätsgewinn geht vor Rentabilität.
      • Finetrading (Vorfinanzierung von Rechnungen), Vorfinanzierung von Waren und Materialeinkauf durch einen Finanzdienstleister. (Diese Form ist interessant für Groß- und Fachhandel, Einzelhandel und Onlineshops, industrielle Produktion.)
      • Finanzierung über öffentliche Beteiligungsgesellschaften
    • Verwertung materieller und insbesondere immaterieller Werte; hier insbesondere auch Software
  • Fortgeschritten
    • Sale-and-x-Aktivitäten, also Dinge wie Sale and Buy Back oder Sale and Lease Back
    • Beleihung und/oder Verkauf immaterieller Vermögensgegenstände wie exemplarisch Rechte, Daten bzw. Kundendaten
    • Projektfinanzierung via Inhaberschuldverschreibung. Problem: Es ist teuer.
    • Schuldscheindarlehen

Was noch zu erwähnen wäre

Die Aufzählung ist, wie gesagt, nicht vollumfänglich, bietet aber eine sehr gute Orientierung. Konkrete Maßnahmen hängen von der individuellen Situation ab.

Daneben muss besonderer Wert auf die Kommunikation gelegt werden. Hierbei sind die relevanten Anspruchsgruppen wie Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Banken zu identifizieren. Und auch wenn es aufwendig ist, gilt es, für jede Interessensgruppe einen Erklärungsansatz, „eine Geschichte“ zu etablieren. Fehlende bzw. fehlerhafte Kommunikation führt zwangsläufig zu Konflikten.

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Axel Oppermann berät seit über 17 Jahren als IT-Markt­analyst Technologie­unternehmen in Strategie- und Marketing-Fragen. Er arbeitet beim Beratungs- und Analysten­haus Avispador, schreibt für diverse Blogs, Portale, Fach­zeitschriften und kommentiert in diversen Bewegt­bild­formaten aktuelle Themen sowie den Markt. Als Gesprächs­partner für Journalisten und Innovatoren bringt Axel erfrischend neue Ansichten über das Geschehen der digITal-Industrie in die Diskussion ein. Seine viel­fältigen Erkenntnisse gibt Axel in seinen kontroversen, aber immer humor­vollen Vorträgen, Seminaren, Work­shops und Trainings weiter. Seine Themen: Digital & darüber hinaus.

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