Glasfasernetze, Teil 1

Nicht warten. Selbst ausschreiben

Von Dr. Harald Karcher

Von 2004 bis 2010 häuften sich in Langerringen (Landkreis Augsburg) die Klagen über das langsame Internet. Viele der 3800 Einwohner bekamen keine 600 kBit/s, niemand hatte mehr als 1–2 MBit/s. Bürger, Familien, Ämter und Schulen wurden immer unzufriedener. Einige Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler drohten schon mit Abwanderung.

Gerne hätte die Gemeinde Langerringen den dringend nötigen weiteren DSL-Breitbandausbau mit der langbekannten Deutschen Telekom AG vorangetriebenen. Doch die Verhandlungen mit dem Ex-Monopolisten zogen sich von 2006 bis 2008 zäh und fruchtlos in die Länge. Der Schriftwechsel der „Deutsche Telekom Netzproduktion GmbH“ macht einen lustlosen Formbriefeindruck. Die Angebote erschienen den Vertretern der Gemeinde für das Gebotene zu teuer und kaum zukunftsfähig.

Die Ortsteile Langerringen, Westerringen, Gennach und Schwabmühlhausen sind geografisch sehr zerstreut, was Verwaltungsfachwirt Franz Wilhelm anhand des neuen Flächennutzungsplanes der Gemeinde erklärt. Da ist es schwer, eine Breitbandvollverkabelung von einem Internet-Provider ohne Kostenbeteiligung zu bekommen.

Bedarfsanalyse für die Breitbandinitiative

So konnte es nicht weitergehen. Dabei hatte der Erste Bürgermeister Konrad Dobler als ehemaliger Olympia-Langstreckenläufer durchaus Marathonerfahrung und Durchhaltevermögen. Also ernannte er den Geschäftsleiter der Verwaltungsgemeinschaft Langerringen, Franz Wilhelm, zum regionalen Breitbandpaten.

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Vor dem Glasfaser-Kupfer-Breitband­ausbau häuften sich die Klagen von Firmen und Familien über das lang­same Inter­net bei Bürger­meister Konrad Dobler im länd­lichen Langerringen. (Bild: Harald Karcher)

Der Breitbandpate einer Kommune ermittelt den Bedarf nach Internet-An­schlüssen vor Ort mög­lichst genau und verbind­lich und trägt die ge­won­nenen Daten in das Breit­band­portal www.breitband.bayern.de der Breitband­initiative Bayern ein:

„Interessierte Anbieter geben auf der anderen Seite ihre Daten über die Möglichkeiten und Technologien zur Erschließung einzelner Gemeinden in das Portal ein. Nach vollständiger Eingabe aller Daten wird über Analysefunktionen ersichtlich, wo Bedarf und Angebot zusammenfallen bzw. wo Anbieter noch gesucht werden.“

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Die Ortsteile Langerringen, Westerrin­gen, Gennach und Schwab­mühl­hausen sind geo­grafisch sehr zer­streut, was Ver­waltungs­fachwirt Franz Wilhelm anhand des neuen Flächen­nutzungs­planes der Gemeinde erklärt. (Bild: Harald Karcher)

Endspurt im Auswahlverfahren

Die Deutsche Telekom AG hatte offenbar kein Interesse, sich am strukturierten Ausschreibungsverfahren zu beteiligen. Am Ende schafften es fünf neue Firmen in das aufwendige „Markterkundungs- und Auswahlverfahren“: Sie schlugen der Gemeinde Langerringen vier unterschiedliche Lösungskonzepte vor:

  • Breitband via WLAN-Ortsverteiler,
  • Komplettausbau mit VDSL-DSLAMs,
  • symmetrische G.SHDSL-Versorgung über gebündelte Kupferleitungen sowie
  • eine hybride Glasfaser-Kupfer-Infrastruktur der Gattung Fiber to the Curb.

Den Zuschlag erhielt schlussendlich das gemeinsame Angebot der LEW TelNet GmbH und der M-net Telekommunikations GmbH. Es versprach eine flächendeckende Breitbandversorgung mit 25 MBit/s, sowie mit 50 MBit/s im Nahbereich der VDSL-DSLAMs.

Das Internet sollte zu diesem Zwecke über Glasfaser mit 1 GBit/s bis an die grauen Kabelverzweigerkästen herangeführt werden. In den Ortsteilen sollten jeweils ein oder mehrere zentrale KVz-Punkte mit VDSL2-DSLAMs ausgebaut und die restlichen KVz über neue Kupferkabel nachgeschaltet werden. Die verbleibende Länge der Kupferkabel läge damit überwiegend unter 600 m, sodass die geforderte Mindestbandbreite in allen Ortsteilen bei allen Verbrauchern ankommen kann.

Serie: Glasfasernetze
Teil 1 ernennt einen Breitbandpaten für Langerringen und arbeitet sich durch das Markterkundungs- und Auswahlverfahren. Teil 2 begutachtet die fertige FTTC-Installation und misst vor Ort, welche Werte das Glasfasernetz real erreicht. Für einen Extrabeitrag kam Harald Karcher noch einmal nach Langerringen, um zu prüfen, ob der mittlerweile verfügbare LTE-Funk eine tragfähige Alternative wäre.

Dieses Glasfaser-Kupferkabel-Konzept nennt man FTTC (Fiber to the Curb). Es ließ in Langerringen volle Verfügbarkeit der Bandbreite auch bei hoher Netzlast erwarten. Da die neuen Kupferkabel auch gleich in neuen Leerrohren verlegt werden sollten, wäre ein späterer Glasfaserausbau sogar bis in die einzelnen Gebäude hinein (also FTTB/Fiber to the Building) ohne große Zusatzkosten möglich.

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Seit Sommer 2011 kommt das Internet der Münchener M-net per Laserstrahl im Glas­faser­kabel aufs flache Land, bis in die KVz-Schalt­kästen hinein. Daneben steht der Ver­waltungs­fachwirt Franz Wilhelm, Breit­band­pate der vor­mals unter­versorgten Gemeinde Langerringen. (Bild: Harald Karcher)

100.000 Euro Zuschuss

Für diese Infrastruktur musste die Gemeinde Langerringen zunächst 493.500 Euro aufbringen. Aller­dings konnte die Regierung von Schwaben per Bescheid vom 1. September 2011 die maximale Förder­summe von 100.000 Euro an Mitteln aus dem Kon­junktur­paket II für Investitions­maßnahmen zur Breitband­erschließung zuschießen. Langerringen musste am Ende also knapp 400.000 Euro aus eigenen Mitteln für eine hoch­moderne Internet-Infra­struktur aufbringen. Der Breit­band­ausbau begann im Sommer 2010 und war im Sommer 2011 abgeschlossen.

Dass sich die Mühe gelohnt hat, bewies ein Ortstermin mit Nachmessungen an der fertigen Fiber-to-the-Curb-Installation im Rathaus und bei einem ansässigen Rohrbauunternehmen. Davon berichtet Teil 2 dieser Serie.
Serie: Digitale Infrastruktur
Die Einführung beginnt in Berlin und klärt die Rahmenbedingungen in Deutschland. Ein erster Regionalschwerpunkt widmet sich dann dem Westen und Nordrhein-Westfalen. Weitere Regionalreports konzentrieren sich auf den deutschen Südwesten und auf Bayern. Extra-Beiträge berichten außerdem über den Stand der NGA-Netze in Österreich und über die praktische, aber schwierige Mobilfunk-Dominanz in der Alpenrepublik.

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