Kommunale Spitzenverbände, Teil 3: Warum der Landkreis­tag auf dezentrale Systeme setzt

Zwischen den Kommunen und Ländern bzw. Bund stehen die Kreis­verwaltungen meist abseits des öffent­lichen Inter­esses. Dabei ist hier die Digi­tali­sierung schon auf dem besten Weg. Denn in seiner Zwischen­stellung hat der Deutsche Land­kreis­tag den Be­darf nach Schnitt­stellen schon früh zu spüren bekommen.

Der Deutsche Landkreistag zielt auf Interoperabilität

Von David Schahinian

Die Landkreise sitzen ein wenig zwischen den Stühlen. Die Bundespolitik findet breite Aufmerksamkeit in den Medien, und für die meisten Bürger sind vor allem die Bürgermeister, Gemeindevertreter oder Stadtverordneten maßgeblich, weil sie für die kommunalen Aufgaben „vor der eigenen Haustür“ verantwortlich sind. Dennoch spielt der Deutsche Landkreistag (DLT) eine wichtige Rolle: Der Zusammenschluss der 294 deutschen Landkreise auf Bundesebene vertritt die Interessen von rund drei Vierteln der kommunalen Aufgabenträger. Zudem kommt ihm eine Mittlerfunktion zu: Die meisten Gesetze des Bundes werden durch die Kommunalverwaltungen vollzogen. Daher wird der DLT unter anderem an Gesetzesvorhaben, die kommunale Anliegen berühren, beteiligt.

Ende Mai 2017 hat sich der DLT klar in Richtung Bundestagswahl positioniert, indem er eine Digitalisierungsoffensive insbesondere für die ländlichen Räume forderte. Gerade für sie würden durch die Digitalisierung neue Produktions- und Vertriebsmodelle möglich, die helfen könnten, Standortnachteile auszugleichen, sagte DLT-Präsident Reinhard Sager. Gleichzeitig biete die Digitalisierung Chancen bei der Sicherstellung der Daseinsvorsorge und der Verwaltungsmodernisierung. „Dazu gehört vor allem, dass der Zugang zu elektronischen Leistungen der Verwaltung vorrangig über die vielfältigen Portale erfolgt, die bei den Landkreisen und anderen Kommunen bestehen, da diese für die meisten dieser Leistungen zuständig sind.“ Diese Ordnung dürfe nicht durch die Schaffung eines übergeordneten Portals des Bundes verschleiert werden.

Stattdessen soll durch Standardisierungen eine schnelle und flächendeckende Interoperabilität der verschiedenen kommunalen Portale erreicht werden, erläutert Pressesprecher Dr. Markus Mempel: „Die Vielfalt der funktionierenden IT-Lösungen in den Kreisverwaltungen muss bewahrt werden, bereits getätigte Investitionen müssen aus unserer Sicht Bestandsschutz genießen.“ Damit steht der DLT weitgehend im Einklang mit den Positionen des Deutschen Städtetags, der ebenfalls ein offenes und plurales Modell bevorzugt.

Vollständig digitalisierte Kreisverwaltungen

Der DLT, der 2016 seinen 100. Geburtstag feiern konnte, hat sich frühzeitig auf den digitalen Weg begeben. Der Verband unterstützt den Ausbau elektronischer Verwaltungsleistungen und die medienbruchfreie Ausgestaltung der Verwaltungsverfahren. Konkret umfasst das den gesamten Entscheidungsprozess in den Kreisverwaltungen, erklärt Mempel: „von der Authentisierung des Nutzers über den elektronischen Kommunikationsweg, die Einrichtung von Servicekonten über das ersetzende Scannen, die digitale Beweiserhaltung, das Führen einer E-Akte bis hin zur verfahrensabschließenden elektronischen Entscheidung.“ Hinzu kommen die elektronische Vergabe und die E-Rechnung als verfahrensbegleitende Instrumente. Zu den Angeboten des Landkreistages zählen auch praktische Hilfestellungen für die öffentlichen Verwaltungen: 130 Bände umfasst die Schriftenreihe mittlerweile. Jüngst erschienen etwa Handreichungen zur Ausgestaltung der Informationssicherheitsleitlinie und zur Vorbereitung der elektronischen Rechnungsverarbeitung in der Kommunalverwaltung.

Serie: Kommunale Spitzenverbände
Teil 1 gibt einen ersten Überblick über Aufgaben von Deutschem Städtetag, Deutschem Städte- und Gemeindebund und Deutschem Landkreistag. Teil 2 konzentriert sich zuerst auf die ITK-Positionen und Datenstrategien des Deutschen Städtetags. Teil 3 klopft beim Deutschen Landkreistag an und erläutert dortigen Vorstellungen von Verwaltungsmodernisierung.

Was das durch das E-Government-Gesetz anvisierte Ziel betrifft, die Akten des Bundes bis 2020 elektronisch zu führen, sieht der DLT die Landkreise in weiten Bereichen gut aufgestellt, „auch wenn teilweise noch erhebliche Unterschiede in der Umsetzung bestehen“. Es besteht also noch Optimierungsbedarf. Das zeigt auch der eGovernment Monitor, der seit 2010 jährlich von der Initiative D21 und ipima erstellt und vom DLT unterstützt wird. In der aktuellen Ausgabe heißt es, dass die Nutzung von E-Government in Deutschland steige, aber weiterhin deutlich hinter dem Niveau Österreichs und der Schweiz bleibe.

Der Bürgerkontakt ist nicht zu ersetzen

Der DLT tritt ferner dafür ein, dass die Digitalisierung der Verwaltung „aufgabenangemessen“ erfolgt und der persönliche Kontakt ein zentraler Punkt in der Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürger bleibt. Die Digitalisierung darf Mempel zufolge nicht zum Anlass genommen werden, „die Kreisverwaltung aus der Fläche zurückzudrängen und zu einem rein virtuellen Ansprechpartner umzugestalten.“ Bei vielen Leistungen, etwa im sozialen Bereich, werde auch künftig der persönliche Kontakt notwendig sein. Etwas anderes könne aber beispielsweise für Dienste wie die Zulassung eines Fahrzeugs, die Beantragung eines Personalausweises oder die Einreichung eines Bauantrages gelten.

Öffentlich weniger bekannt ist der sogenannte DLT-Innovationsring, der als Gremium besonders innovationsorientierter Landkreise beziehungsweise Landräte fungiert. Auch dort spielt das Thema Digitalisierung eine große Rolle. „Außerdem ist der DLT Mitglied im IT-Planungsrat, was von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist“, so Mempel weiter. In der Tat: Der Rat koordiniert die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der Informationstechnik und fasst Beschlüsse über fachunabhängige und fachübergreifende IT-Interoperabilitäts- und IT-Sicherheitsstandards. Zudem ist er für die Steuerung von E-Government-Projekten zuständig.

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David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.

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