Smart-City-Beispiele in Bayern: Wo Bayern mit Flug­taxis landen will

Bayern will außer Kon­kur­renz laufen und trotz­dem immer Erster sein. Das ist in der Dis­zi­plin Smart City nicht anders. Ent­sprechend ehr­geizig sind die meist tech­no­lo­gie­getriebenen Leucht­turm­projekte, die von München aus an­ge­stoßen werden. Sie rücken be­son­ders den Aspekt Mo­bi­li­tät in den Vordergrund.

Der digitale Flächenstaat

Von Friedrich List

Die Vision „Smart City“ zeigt eine Vielzahl von Konzepten mit ganz unterschiedlichen Zielen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie durch die digitalisierte Vernetzung und Kommunikation erst möglich werden. Das Licht am Ende des Tunnels zeigt eine leise, saubere und grüne, digital vernetzte Stadt, mit intelligenten Verkehrsleitsystemen, umweltfreundlichem Ressourcen- und Energiemanagement, einer 24 Stunden online geöffneten E-Government-Verwaltung und elektrisch betriebenem ÖPNV. Der Weg dorthin ist allerdings erst noch zu gehen.

Recht weit sind große urbane Zentren wie etwa München oder klassische bayerische Industriestädte wie Augsburg oder Ingolstadt. Das Allgäu wird derzeit zur Modellregion für die Cloud-Technologie im Tourismus; zudem verfügen zahlreiche Städte inzwischen über eine digitale Infrastruktur für das Internet der Dinge.

Modelle im Münchner Westen

München wurde 2015 von der EU-Kommission zusammen mit Wien und Lyon als Smart-City-Leuchtturmstadt ausgewählt. Das Projekt Smarter Together läuft noch bis Anfang 2021. Bis dahin will die bayerische Landeshauptstadt etwa 20 Millionen Euro investieren. Im Rahmen des Projekts sollen Lösungen für die umweltfreundliche und digital vernetzte Stadt der Zukunft entstehen. Erprobt werden sie schwerpunktmäßig im Münchner Westen, im Neubaugebiet Freiham und im Sanierungsgebiet Neuaubing-Westkreuz. Bei den Projekten geht es um mehr als um eine digitale Infrastruktur und umweltfreundliche Mobilitätskonzepte. Geplant sind auch Lösungen für Smart Houses und ein weitgehend klimaneutrales Energiemanagement. Hinzu kommen neue Informationsdienste für die Bürger.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „IT-Unternehmen stellen sich vor“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Seit Anfang 2018 können die Bürger über die München SmartCity App bereits aktuelle Informationen über Events, den öffentlichen Nahverkehr und städtische Dienste abrufen. Dasselbe Angebot findet sich auch auf Informationsstelen, die im Projektgebiet aufgestellt wurden. Ein weiteres Angebot sind Mobilitätsstationen, an denen die Anwohner auf Elektrofahrräder oder Elektromietautos umsteigen können. Intelligente Lichtmasten passen ihre Helligkeit der Lichtsituation an. Sie sammeln neben ihrer eigentlichen Funktion Daten über Umwelt und Verkehr. Mit den erfassten Daten sollen dann weitere digitale Dienste entwickelt werden.

Einen Großteil der im Modellviertel verbrauchten Energie sollen Fotovoltaikmodule und das Geothermieheizkraftwerk Freiham liefern. Die Überproduktion soll dann über einen Batteriespeicher in ein sogenanntes virtuelles Kraftwerk eingespeist werden und als Stabilitätsreserve dienen. Ziel dabei ist, 20 % CO₂ einzusparen und 20 % erneuerbarer Energien zu nutzen. So soll dann die erzeugte Energie um ebenfalls 20 % besser ausgenutzt werden. Zudem sollen Smart-Home-Elemente in sanierten und neuen Wohnungen dabei helfen, Energie einzusparen.

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Die Stadtwerke München speisen ihre Ladestationen für Elektroautos mit „100 % M-Ökostrom“. Abgerechnet wird per Ladekarte oder Direktzahlung. (Bild: Stadtwerke München)

Nicht zuletzt bauen die Stadtwerke München über ein Tochterunternehmen das Glasfasernetz aus. Bis 2021 sollen rund 70 % aller Gewerbebetriebe und Haushalte über schnelle Internet-Anschlüsse verfügen. Auch die Elektromobilität soll weiter wachsen. So soll bis Ende 2020 ein stadtweites Netz von 500 Ladestationen bereitstehen. Außerdem arbeitet die Stadt München daran, ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umzustellen.

Abflug am NB-IoT-Flughafen

Der Münchener Großflughafen im Erdinger Moos gehört zu den größten Flughäfen Europas. Er wird von rund 100 Fluggesellschaften angeflogen und verzeichnet 44, 6 Millionen Passagiere pro Jahr. Er nimmt derzeit eine Fläche von 1618 ha ein; rund 35.000 Menschen arbeiten dort. Durch die Digitalisierung wird der Flughafen selbst zu einer Smart City.

Für das neue digitale Kommunikationsnetz arbeitet der Flughafen mit Telefónica Deutschland und dem koreanischen Technologiekonzern Huawei zusammen. In den nächsten Jahren soll am Flughafen ein drahtloses Internet der Dinge entstehen. Als Erstes werden die analogen Stromzähler nach und nach durch digitale Smart Meter ersetzt. Allerdings lassen sich viele analoge Zähler nicht während des laufenden Betriebs ersetzen. Also zeichnet an vielen davon vorerst eine Digitalkamera den Zählerstand auf und überträgt die Informationen per NarrowBand IoT über das Telefónica-Netz auf eine digitale Plattform.

Zunächst werden die Zählerstände alle zwei Stunden übertragen, aber die Intervalle können auch verkürzt werden. Für Telefónica ist es die erste Praxisanwendung seiner Übertragungstechnik. Weitere IoT-Anwendungen könnten die Beleuchtungssysteme speziell auf dem Flugfeld sein, aber auch mit Funkchip versehene Gepäckcontainer.

Serie: Smart City

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Teil 1 gibt eine erste Einführung und stellt als Beispiele die Konzepte in Hamburg, Berlin und Göttingen vor. Teil 2 geht nach Bayern und berichtet, was sich in den Münchner Modellvierteln tut. Teil 3 wechselt über die Grenze nach Österreich – dort hat man nämlich bereits eine nationale Smart-City-Strategie und ist führend im Passivhausbau. Teil 4 stürzt sich dann mitten in die Metropolregion Ruhrgebiet und berichtet unter anderem von der digitalsten Stadt Deutschlands. Den deutschen Südwesten nimmt sich zuletzt Teil 5 dieser Serie vor. Ein Extrabeitrag hat außerdem Beispiele dafür zusammengetragen, was Green IT zur Smart City beitragen kann. (Bild: zapp2photo – Fotolia)

Projekt Urban Air Mobility

Ministerpräsident Markus Söder will Bayern zum Flugtaxi-Weltmeister machen. Immerhin hat das Bundesland mit Lilium in Oberpfaffenhofen ein Start-up vorzuweisen, das an einem stadttauglichen Jet mit Elektroantrieb arbeitet. Auch Airbus entwickelt mittlerweile ein derartiges Fluggerät in einer Hochgeschwindigkeitsvariante. In Zukunft sollen diese Flugzeuge auch autonom fliegen können und beispielsweise Taxi- oder Transportdienste erlauben. Die EU fördert derartige Projekte inzwischen unter dem Dach der Initiative Urban Air Mobility. In der Region Ingolstadt soll diese Art der Luftmobilität nun erprobt werden.

Am 19. Juni 2018 unterzeichneten die Stadt selbst, die umliegenden Landkreise, der Freistaat Bayern sowie Partner aus Industrie und Forschung eine Absichtserklärung, in der Region neue Mobilitätskonzepte für den Luftraum erproben zu wollen. Unter den Industriepartnern sind Audi und eben Airbus. Dabei werden verschiedene Anwendungen untersucht. Sie umfassen eine Ergänzung des herkömmlichen Nahverkehrs, das Rettungswesen und die öffentliche Sicherheit. Hinzu kommen eilige Transportdienste, etwa für Medikamente oder Spenderorgane.

Ein Vorstoß zur Einrichtung von futuristischen Lufttaxidiensten kam aus der Lokalpolitik in Putzbrunn nahe München. Dort schlug der FDP-Gemeinderat Willibald Hackl vor, im Flächennutzungsplan Start- und Landezonen für senkrechtstartende Lufttaxis auszuweisen. Allerdings wurde sein Vorschlag abgelehnt – es fehlen gesetzliche Regelungen zum Betrieb dieser Art Fluggerät. So sind beispielsweise freie Außenstarts und -landungen nicht erlaubt. Auch die Flugsicherung ist nicht auf diese neuen Kleinflugzeuge eingerichtet. Experten erwarten, dass Drohnen mit Passagieren an Bord eher wie eine fliegende U-Bahn in festen Korridoren verkehren werden.

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Anton Klotz (Allgäu GmbH), Wirtschaftsminister Fanz Josef Pschierer und Klaus Holetschek (Tourismusverband Allgäu/Bayerisch Schwaben) bei der Bescheidübergabe: Seit August 2018 ist das Allgäu Modellregion der Bayern-Cloud. (Bild: Allgäu GmbH)

Allgäu in der Bayern-Cloud

Die bayerische Tourismusindustrie soll mit der Bayern-Cloud eine eigene Internet-Plattform erhalten. Das Allgäu wird die erste Region sein, die die Bayern-Cloud für digitale Dienste tatsächlich nutzen wird. Ziel sind digitale Dienste und Anwendungen für kleine und mittelständische Betriebe, die selbst nicht die Ressourcen haben, um eine eigene Cloud zu unterhalten. Zurzeit baut fortiss, das Software-Forschungsinstitut des Freistaats Bayern, die digitale Plattform auf. Sie bietet die Möglichkeit, Ressourcen oder Informationen bereitzustellen. Das können Fahrpläne, Terminhinweise, Wetterdaten, Informationen über Wanderwege, Öffnungszeiten von Sehenswürdigkeiten oder Wintersportberichte sein. Diese können dann zum Beispiel von Start-ups zu neuen Anwendungen weiterverarbeitet werden.

Die Bayern-Cloud gehört zum Förderprogramm Digitalbonus Bayern, mit dem der Freistaat die Einführung von Hard- und Softwarelösungen in bayerischen Betrieben fördert. Das Forschungsprojekt zum Aufbau der Bayern-Cloud hat eine Laufzeit von drei Jahren.

Regionale und kommunale Initiativen

Parallel dazu entwickeln viele bayerische Städte eigene Konzepte. Augsburg sucht nach zeitgemäßen Mobilitätslösungen, um das Problem der Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen. Jüngst sorgte die Stadt mit ihrem Plan, im Innenstadtbereich den ÖPNV kostenlos durchzuführen, für Aufsehen. Nun will die Stadt in den kommenden eineinhalb Jahren einen Plan für die Entwicklung der nächsten 30 Jahre erarbeiten. Dabei geht es nicht um die klassischen Themen wie Grünflächen, Gewerbegebiete oder Wohnungsbau. Auch das Thema Smart City wird eine Rolle spielen, beispielsweise beim Parkplatz- und Verkehrsmanagement. Die Verantwortlichen sähen es lieber, wenn Augsburg eigene Lösungen fände, anstatt dass es die großen Internet-Konzerne tun.

In Ulm hatten die Verantwortlichen mit Ulm 2.0 eine ehrgeizige Digitalisierungsstrategie vorangetrieben; inzwischen gibt es eine Geschäftsstelle Digitale Agenda zur Koordination der verschiedenen Initiativen. Themen sind der Glasfaserausbau, der Ausbau des E-Governments, aber auch nachhaltige Mobilität. In der Stadt werden autonomes Fahren und Parken getestet, es gibt Ladestationen für Elektrofahrzeuge und die Möglichkeit, Parkscheine per Handy zu lösen sowie ein Gründerzentrum mit dem Schwerpunkt Mobilität.

Serie: Innovations- und Gründerzentren
Der Einführungsbeitrag gibt eine erste Übersicht für Gründer und Start-ups. Dabei interessiert auch die Frage, wie sich die Locations auf den eigenen Erfolg und die Karriere auswirken. Teil 1 stellt dann konkrete Beispiele aus Berlin, Hamburg und anderen Orten im deutschen Norden und Osten vor. Teil 2 reist nach Köln, Dortmund, Mainz und Gummersbach, um die Technologiezentren an Rhein und Ruhr zu sichten. Überraschungen hat auch der Südwesten parat, von dem Teil 3 berichtet – aus Darmstadt und Stuttgart ebenso wie aus dem beschaulich-umtriebigen Bad Orb. Teil 4 geht schließlich in den Postleitzahlenbereich 8 und 9 nach Bayern und Thüringen: Auch außerhalb von München bekommen Gründer gute Unterstützung. Sonderbeiträge geben außerdem Auskunft über die Innovations- und Gründerzentren in Österreich und die dortige Start-up-Szene.

Zudem existiert in vielen Städten mittlerweile die IoT-Infrastruktur (Internet of Things). Die traditionelle Industriestadt Nürnberg, aber zum Beispiel auch Landshut, Germering und Freising haben Vodafone damit beauftragt, im Stadtgebiet ein Maschinennetz für das Internet der Dinge aufzubauen. Mehr und mehr Geräte sollen ihre Daten über das Internet senden – Daten, die es Unternehmen und städtischen Dienstleistern ermöglichen, ihre Arbeit besser zu tun.

Über das Maschinennetz können etwa Strom- und Wasserzähler ihre Daten kontinuierlich übermitteln und so die Besuche von Ablesern überflüssig machen. Vernetzte Mülleimer könnten ihren Füllstand melden und so die Routenplanung für die Müllabfuhr erleichtern. Sensoren in Lagerhallen oder auf dem Bahnhof können Frachtgut überwachen und beispielsweise Alarm geben, wenn Unbefugte versuchen, auf das Grundstück zu gelangen. Das IoT-Netz ermöglicht aber auch die Erfassung freier Parkplätze in der Innenstadt. Diese Daten könnten dann über eine App verbreitet werden und den Nutzern bei der Parkplatzsuche helfen.

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Friedrich List ist Journalist und Buch­autor in Hamburg. Seit Anfang des Jahr­hunderts schreibt er über Themen aus Computer­welt und IT, aber auch aus Forschung, Fliegerei und Raum­fahrt, u.a. für Heise-Print- und Online-Publikationen. Für ihn ist SEO genauso interessant wie Alexander Gersts nächster Flug zur Inter­nationalen Raum­station. Außerdem erzählt er auch gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt.

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