Industriekunden gewinnen: Wie ein Selling Team Industriekunden gewinnt

Größere Unternehmen haben ein Buying Center, das die meisten Kaufentscheidungen trifft. Jedes einzelne der Mitglieder aus aus den unterschiedlichen Bereichen hat eigene Erwartungen an die Problemlösung. Entsprechend strategisch und taktisch klug müssen Anbieter agieren, um einen Auftrag zu erlangen.

Trainingslager vor dem Einkaufsduell

Von Uwe Reusche, ifsm

Für die meisten größeren Unternehmen gilt: An ihren zentralen Kaufentscheidungen sind mehrere Personen beteiligt. Diese Personen bilden das sogenannte Buying Center. Und die Herausforderung an potenzielle Lieferanten lautet, die Entscheidungsprozesse in diesem Personenkreis so zu beeinflussen, dass ihr Unternehmen den Auftrag erhält – zu attraktiven Konditionen.

Das Buying Center analysieren

In einem Buying Center gilt es, folgende Personengruppen zu unterscheiden:

  • die Anwender (User), die mit der gekauften Lösung arbeiten – häufig sind dies die Mitarbeiter einer oder mehrerer Fachabteilungen,
  • die Einkäufer (Buyer), die den Auftrag unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten verhandeln (und gegebenenfalls erteilen),
  • die wirtschaftlichen Entscheider (Decider), die aufgrund ihrer Position die finale Entscheidung über die Problemlösung und deren Lieferanten treffen, und
  • die Experten/Techniker in der Organisation (Experts), die darauf achten, dass die Lösung technisch und organisatorisch den Anforderungen entspricht.

Diese Personen(-gruppen) haben meist unterschiedliche Erwartungen. Während zum Beispiel den Anwendern wichtig ist, dass die Lösung unkompliziert zu handhaben ist, achten die Einkäufer darauf, dass diese „Preis-wert“ ist. Und während die Geschäftsleitung vor allem darauf schaut, dass das Unternehmen seine strategischen Ziele erreicht, prüfen die Experten/Techniker primär, ob die Lösung mit den Prozessen und der technischen Infrastruktur harmoniert.

Wie die Kaufentscheidungsprozesse in den Unternehmen ablaufen, hängt stark davon ab, was beschafft werden soll. In die Beschaffung von Produkten und Problemlösungen mit einer geringen strategischen Relevanz (zum Beispiel Büromaterial) sind in größeren Unternehmen die Top-Entscheider meist nicht involviert. Anders ist es bei Problemlösungen,

  • die für das Erreichen der Ziele des Unternehmens eine hohe Bedeutung haben,
  • die (wie zum Beispiel eine Computeranlage) auf die spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens abgestimmt werden müssen und
  • bei deren Kauf das Unternehmen mit dem Lieferanten sozusagen eine Partnerschaft über die Lebensdauer des Systems eingeht.

In solche Einkäufe sind die Top-Entscheider in der Regel involviert. Zumindest behalten sie sich das finale Entscheidungsrecht vor.

Die nötigen Kundeninfos einholen

Die wichtigsten Fragenkomplexe, die potenzielle Lieferanten bezüglich des Buying Centers zu klären haben, sind:

  • Wer sind seine Mitglieder?
  • Welche Entscheidungskriterien sind für die einzelnen Mitglieder/Funktionsgruppen die wichtigsten? Und:
  • Welchen Einfluss haben sie auf die finale Kaufentscheidung?

Um die Kaufentscheidung zu seinen Gunsten zu beeinflussen, benötigt ein Anbieter also viele Informationen, zum Beispiel über die Marktposition des Unternehmens und die Herausforderungen, vor denen es steht – betriebswirtschaftlich, technisch und marktbezogen, zudem darüber, wie das Unternehmen aktuell die relevanten Probleme und Aufgaben löst; des Weiteren darüber, wie Entscheidungsprozesse in dem Unternehmen ablaufen.

Manch relevante Erstinformation lässt sich durch eine Online-Recherche finden. Für viele andere gilt es jedoch, das firmeneigene Netzwerk zu aktivieren – zum Beispiel zu Mitbewerbern, Lieferanten oder Kunden des Unternehmens, zu denen die eigene Organisation bereits eine Beziehung hat. Zahlreiche wichtige Infos lassen sich aber nur im Kontakt mit Mitgliedern der Kundenorganisation ermitteln. Also gilt es, diese auf den unterschiedlichsten Ebenen (zum Beispiel auf der Techniker- oder Verkäuferebene) aufzubauen, sofern sie noch nicht existieren.

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Uwe Reusche ist einer der beiden Geschäftsführer des ifsm Instituts für Sales & Managementberatung, das unter anderem zertifizierte Sales Coachs ausbildet. Das ifsm berät und begleitet Unternehmen rund um die Themen Führung und Verkauf. Alle ifsm-Trainer verfügen über eine fundierte Ausbildung in ihrem jeweiligen Fachgebiet und haben ausreichende praktische Erfahrungen.


ifsm – Institut für Sales & Managementberatung GmbH & Co. KG, Klostergut Besselich, Haus 8, 56182 Urbar bei Koblenz, Tel.: 0261-9623641, info@ifsm-online.com, www.ifsm-online.com

Ein Selling Team formieren

Wichtig ist es zudem, ein sogenanntes Selling Team zu bilden, das gemeinsam daran arbeitet, vom Zielkunden den gewünschten Auftrag zu erlangen. Der Aufbau solcher Teams – als Pendant zum Buying Center – ist im B2B-Vertrieb, bei dem oft kundenspezifische Lösungen entwickelt werden, gang und gäbe, denn hieran wirken neben den eigentlichen Verkäufern häufig auch Techniker, Mitarbeiter des (Verkaufs-)Innendiensts sowie nicht selten Teile der Geschäftsleitung mit.

Eine zentrale Aufgabe des Selling Teams ist es, den Neukundengewinnungsprozess – also die Strategie, wie der Kunde gewonnen werden soll – zu definieren. Hierfür gilt es zunächst, die Ist-Situation und Bedürfnislage des Zielkunden zu erkunden. Hierbei hat sich das sogenannte TAPA-Modell bewährt.

  • T = Trendanalyse: Welche Trends, Entwicklungen, kommen auf das Zielunternehmen zu?
  • A = Auswirkungen: Welche Auswirkungen haben diese auf das Unternehmen?
  • P = Probleme: Welche Herausforderungen ergeben sich hieraus für die Mitglieder des Buying Centers bzw. ihre Funktionsbereiche?
  • A = Auswirkungen: Welche negativen Auswirkungen hat es mittel- und langfristig für das Unternehmen und die Funktionsbereiche der Buying-Center-Mitglieder, wenn das Problem nicht gelöst wird? Welche positiven Auswirkungen hat es, wenn das Unternehmen die Herausforderungen meistert?

Die TAPA-Analyse ist für die Hypothesenbildung wichtig, wie der Zielkunde zur gewünschten Kaufentscheidung geführt werden kann. Und die Ergebnisse der Analyse? Sie können unmittelbar in das letztlich erstellte Angebot oder die firmeninterne Präsentation einfließen.

Erkennbaren Mehrwert bieten

Beim Erstellen des Angebots gilt es die Kundenanforderungen und -wünsche mit den Leistungen des eigenen Unternehmens in Verbindung zu bringen – das heißt, die eigenen Leistungen so zu präsentieren, dass für die Mitglieder des Buying Centers der Mehrwert des Angebots gegenüber Konkurrenzangeboten erkennbar wird. Zudem gilt es, das Angebot – zum Beispiel durch eine entsprechende Storyline – so zu gestalten, dass für die Mitglieder des Buying Centers auch emotional erfahrbar wird, dass das kein 08/15-Angebot ist, sondern eine maßgeschneiderte Problemlösung.

Steht das Angebot oder die Präsentation, gilt es zu entschieden, welche Mitglieder des Selling Teams in die firmeninterne Präsentation oder den Pitch gehen. Diese Entscheidung sollte man davon abhängig machen,

  • wie sicher die Mitglieder des Selling Teams im Präsentieren sind,
  • wer die Hauptentscheider im Buying Team sind und
  • welchen Eindruck das Unternehmen primär hinterlassen möchte (zum Beispiel: „Wir sind ein innovatives Unternehmen“ oder „Wir sind ein etabliertes Unternehmen, dem Sie vertrauen können“).

Den Auftritt beim Kunden trainieren

Wichtig ist vor dem Auftritt in der Kundenorganisation zudem ein Pitch- oder Präsentationstraining, bei dem die Teammitglieder in die verschiedenen Rollen im Buying Center schlüpfen – zum Beispiel in die Rolle der Einkäufer und der Geschäftsleitung.

Trainiert werden sollten mit Rollenspielen unter anderem folgende Phasen und Herausforderungen:

Die Begrüßungsphase
  • Start: Wie gewinnen wir schnell die Aufmerksamkeit?
  • Gestalten der Kennenlernrunde: Wie schaffen wir ein perfektes Match mit dem Gegenüber schon in der Vorstellungsrunde?
  • Wer sagt was für welches Buying-Center-Mitglied?
Die Präsentationsphase
  • Festgelegt werden sollte, wer welchen Part präsentiert. Erörtert werden sollte auch, welchen Typ auf der Kundenseite die jeweilige Person abholen soll – damit Rollenklarheit besteht.
Die Argumentationsphase
  • In der Rolle des Kunden fallen den Teammitgliedern meist viele Einwände, Bedenken und Rückfragen ein. Diese gilt es zu sammeln, um dann zu überlegen, wie man sie abfedern kann.
Abrunden
  • Geklärt werden sollte auch, wie das Team für das „We want you“-Gefühl beim Kunden sorgt, sodass dieser das Gefühl hat: „Wir sind begehrt! Der Anbieter bemüht sich um uns.“

Realistische Ziele formulieren

Vor dem Pitch oder der Präsentation sollte zudem genau definiert werden, welches (Etappen-)Ziel das Team erreichen kann und welches (Etappen-)Ziel es erreichen will.

Denn für den Verkauf komplexer Produkte und Dienstleistungen im B2B-Bereich gilt meist: Die Problemlösungen haben für den Kunden nicht nur eine hohe strategische Relevanz, sie sind auch costumized. Deshalb fällt die Kaufentscheidung selten beim oder nach dem ersten Treffen. Vielmehr treffen sich, wenn die Kundenorganisation eine Vorentscheidung für einen Lieferanten getroffen hat, zum Beispiel die Experten auf der Anbieter- und der Kundenseite und erarbeiten gemeinsam die Detailanforderungen an die Lösung oder diese selbst. Diese Vorschläge werden dann erneut dem Buying Center präsentiert, bevor schließlich der Auftrag erteilt wird.

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