Modernes Pricing: Wie modernes Pricing funktioniert

Monopolisten haben es bei der Preisfindung relativ leicht, denn sie können mit einer simplen Preis-Absatz-Funktion die Preise ermitteln, die ihnen den maximalen Gewinn bescheren. Schwieriger ist dies für Unternehmen im harten Wettbewerb, vor allem bei leicht vergleichbaren Produkten und Leistungen.

Gewinn ist, wenn Kunden gut zahlen

Von Andreas Franken, Franken-Consulting

Moderne Preisfindungsmethoden ermitteln den umsatz- bzw. gewinnoptimalen Abgabepreis unter Berücksichtigung der eigenen Kosten, des Preisgefüges der Wettbewerber, des wahrgenommenen Kundennutzens und der am Markt vorhandenen Zahlungsbereitschaft. Schließlich wirkt sich eine erfolgreich umgesetzte Preiserhöhung viel direkter auf das EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation, and Amortization) aus als etwa Umsatzsteigerungen oder Kostenreduzierungen.

Monopolisten haben es bei der Preisfindung vergleichsweise leicht, denn sie können mit einer relativ simplen Preis-Absatz-Funktion die Preise ermitteln, welche ihnen den maximalen Gewinn bescheren. Schwieriger ist dies für Unternehmen im harten Wettbewerb, denn insbesondere bei vergleichbaren Produkten und Leistungen ist neben den eigenen Kosten auch die Preisgestaltung der jeweiligen Wettbewerber von hoher Relevanz.

Aktuelle Studien belegen, dass

  • ca. die Hälfte der Unternehmen erklärt, ihre Branche sei vom Kampf um Marktanteile geprägt,
  • die Mehrheit der in einen Preiskrieg involvierten Unternehmen fest davon überzeugt ist, dass dieser „vom Wettbewerber“ begonnen wurde, und dass
  • sowohl Kunden als auch Wettbewerber stetig preisaggressiver werden.

Viele Unternehmen fühlen sich in ihren jeweiligen Preiskriegen hilflos oder zumindest stark eingeschränkt, was die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten betrifft.

Es lohnt sich, den richtigen Preis zu ermitteln

Neben den eigenen Kosten und dem Preisverhalten der Wettbewerber ist in die Preiskalkulation der den Kunden gebotene Mehrwert mit einzubeziehen. Andernfalls wird viel Gewinnpotenzial verschenkt. Dass sich bereits kleine Preiserhöhungen lohnen, belegte eine Untersuchung der Jahresabschlüsse von Industrieunternehmen wie VW, ThyssenKrupp oder MAN: Eine nur zweiprozentige Preiserhöhung würde deren Gewinne um etwa 100 % steigern.

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Andreas Franken ist als Unternehmensberater spezialisiert auf die Themen Strategie, Marketing und Vertrieb. Seine Berufserfahrung erstreckt sich über mehr als 30 Jahre, und er veröffentlicht regelmäßig Fachartikel zu Managementthemen. Zur eigenständigen Optimierung von Unternehmen bietet er seinen Neun-Punkte-Plan zum kostenlosen Download.


Andreas Franken, Franken-Consulting, Ortbeckstraße 5, 45894 Gelsenkirchen; Telefon 0209-3187586, Telefax 0209-3187581, af@franken-consulting.org, www.franken-consulting.org

Anstelle von Preiserhöhungen wird vielfach versucht, den Unternehmensgewinn mithilfe von Umsatzsteigerungen auf der Basis von Margenverzicht zu steigern. Sehr beliebt sind auch Kostenreduzierungen in den Bereichen Fertigung, Personal und F&E. Letzteres geht allerdings oft mit einem Verlust an Qualität und Innovationskraft einher. Sinkende Qualität und mangelnder Innovationsoutput wirken sich wiederum preisreduzierend aus und ein Unternehmen gerät auf diese Weise schnell in eine Abwärtsspirale.

Kunden sind sehr wohl bereit, für Mehrwerte auch mehr zu bezahlen. Dies bedeutet aber, dass diese Mehrwerte auch tatsächlich wahrnehmbar sein müssen. Bei einem absolut vergleichbaren Produkt mit vergleichbarer Nebenleistung kann naturgemäß nur der Preis entscheiden.

Mehrwerte für seine Kunden schaffen

Einkäufer und auch andere taktisch vorgehende Kunden versuchen mit modernen Mitteln, Angebote möglichst vergleichbar zu machen, bestenfalls in ein Schema zu pressen. Dieses Vorgehen verfolgt das Ziel, dem Anbieter Argumente zur Rechtfertigung seiner Preisgestaltung zu nehmen und sich selbst in eine vorteilhafte Verhandlungsposition zu bringen. Schließlich möchte ein Käufer für ein Produkt oder eine Dienstleistung zumeist einen möglichst niedrigen Preis bezahlen.

Dem Anbieter bleiben – neben der Hoffnung, dass der Käufer in puncto Einkauf nicht allzu gut ausgebildet ist – allerdings viele Möglichkeiten. Er kann sich durch Mehrwerte bzw. Wettbewerbsvorteile profilieren. Diese Wettbewerbsvorteile können im Produkt selbst liegen (besser, schneller, zuverlässiger etc.) oder auch in den Nebenleistungen (regionale Nähe, Qualität, Freundlichkeit, weitere Angebote und viele andere mehr).

Eine Bäckerei kann z.B. die leckersten Brötchen der Region bieten, die stets warm verkauft werden. Sie kann sich zudem durch ausgesprochen freundliches Personal, Sauberkeit und Schnelligkeit in der Kundenabwicklung auszeichnen. Eine einladende Inneneinrichtung mit angenehmer Beleuchtung und bequemen Essplätzen lädt zum Verweilen ein und die Kaffeemaschine produziert exzellenten Latte macchiato – viel besser als das Zeugs, das aus dem Automaten kommt. Die angebotenen Snacks und Kleingerichte sind frisch und von hoher Qualität. Diese Bäckerei ist berühmt für ihre Brötchen und für alle anderen Backwaren; sie verkauft quasi nebenbei noch viele weitere margenstarke Lebensmittel an ihre Kundschaft, die im Wesentlichen aus Stammkunden besteht.

Obwohl – oder gerade weil – diese Bäckerei rund 42 % teurer verkauft als ihre direkten Wettbewerber, liefert sie ihren Kunden Mehrwerte, welche diese gern vergüten.

Ein weiteres Beispiel bietet die Automobilindustrie mit ihren fest eingebauten Navigationsgeräten. Bekanntlich kosten direkt vom Hersteller eingebaute Navigationsgeräte ein Vielfaches der im freien Handel angebotenen mobilen GPS-Geräte. So hatten die Automobilhersteller zu entscheiden, wie sie mit ihrer Konkurrenz umzugehen gedenken. Im Dialog mit den Autoverkäufern monierten die Kunden stets, dass der Festeinbau des Herstellers verglichen mit dem TomTom des freien Handels viel zu teuer sei. Aufgrund hoher eigener Herstellungskosten waren die Automobilhersteller aber nicht in der Lage, ihre Navigationsgeräte zum TomTom-Preis abzugeben.

Studien zeigten daraufhin, dass ein gewisser Anteil der Kunden einen Festeinbau mehr schätzt als eine mobile Lösung. Denn der Festeinbau kommt ohne externe Kabel aus, ist fest mit dem Fahrzeug verbunden und somit besser vor Diebstahl geschützt, bietet oft höheren Bedienkomfort und ist auch schicker und imagefördernder. Viele Kfz werden außerdem (als Firmenwagen) geleast oder finanziert, sodass der relativ hohe Kaufpreis eines integrierten Navigationsgeräts in der monatlichen Rate kaum noch auffällt. Also haben sich viele Automobilhersteller in ihrem jeweiligen Pricing auf die Zielgruppen konzentriert, welche die angebotenen Mehrwerte zu würdigen und zu bezahlen bereit sind. Mit diesen Kunden realisieren sie zwar weniger Absatz, aber dafür einen margenstarken Umsatz.

Es geht demnach darum, sich auf seine Kunden einzustellen und Wertschöpfungskonfigurationen zu entwickeln, die von den jeweiligen Zielgruppen auch adäquat vergütet werden.

Ein gutes Beispiel für zeitgemäßes Pricing zeigt auch die Deutsche Bahn mit der Bahncard. Dieses zweidimensionale Preisinstrument beschert Kunden und Bahn viele Vorteile.

Austauschbare Produkte und Rabattaktionen

Das Marketing für Commodities stellt angesichts der Austauschbarkeit der Produkte besondere Herausforderungen an das Management. Häufig sind Menge und Preis die einzig relevanten Größen im Geschäft. Demzufolge ist es schwer, sich von seinen Wettbewerbern abzuheben. Dennoch versuchten z.B. deutsche Stromanbieter, ihre Marke in ein emotionales Umfeld einzubetten oder ihr fiktive Eigenschaften (Yello Strom, Aquapower) zu verleihen.

Denken wir an die vielen weiteren Produkte, die fast überall zu kaufen sind. Wie geht der Handel hiermit um?

Schauen wir uns die großen Ketten im Lebensmitteleinzelhandel mit ihren Rabattaktionen an oder auch die großen IT-Märkte (online wie offline), die bestimmte Produkte vielfach unter den Einkaufspreisen von Fachhändlern oder Systemhäusern abgeben, dann scheint dieses Verhalten auf den ersten Blick ruinös. Ein niedriger Verkaufspreis ist schließlich nur dann sinnvoll, wenn er auf einem (Einkaufs-)Kostenvorteil basiert und nicht auf Margenverzicht. Mit den angebotenen Schleuderpreisen verfolgen die jeweiligen Anbieter aber zumeist eine klug angelegte Taktik als Bestandteil einer übergeordneten Preisstrategie. Die Aktionspreise vermitteln im Markt ein interessantes Preisimage, sodass ein Käufer davon ausgeht, dass andere Produkte dort ähnlich günstig zu haben sind. Sie sorgen zudem für eine hohe Besucherfrequenz und erreichen im Erfolgsfall, dass die Besucher auch weitere (margenstarke) Produkte einkaufen. Im Mittel sind die Preise des jeweiligen Anbieters so kalkuliert, dass dieser seine Gewinnsituation maximiert.

Ein IT-Systemhaus offeriert so manchen Hardwarepreis auch nur deshalb, um Kontakt zu Kunden herzustellen bzw. zu halten, um dann weitere lukrativere Geschäfte abzuwickeln. Es gibt nun einmal Produkte, bei denen der Kunde besonders genau auf den Preis achtet. Mit diesen Produkten kann ein Händler direkt kein Geld verdienen. Indirekt allerdings schon, denn diese günstigen Produkte sorgen für Frequenz und verschaffen Kundenbeziehungen, die man sonst nicht hätte. Deshalb sind Rabattaktionen stets im Kontext einer übergeordneten Strategie anzulegen.

Ohne diese Strategie sind Rabattaktionen einfach nur dumm.

Pricing wird massiv unterschätzt

Besonders die Auswirkungen auf den Unternehmensgewinn werden von vielen Managern nicht erkannt. Preise werden oft nach Gutdünken festgelegt, was so gut wie nie die maximal erzielbaren Ergebnisse beschert. Im Gegenteil. Unternehmen, die sich nicht professionell um ihre Wettbewerbsvorteile und Preise kümmern, werden schnell zu Getriebenen, was zur Vergabe von hohen Rabatten und somit zu dramatischen Gewinnreduzierungen führt. Bei Mystery Shopping, wenn Testkäufer eine Ausschreibung an Unternehmen mit mehreren Standorten richten, erhält man dann nicht selten ganz unterschiedliche Preise, die bis zu 100 % voneinander abweichen können. Das Management ist regelmäßig entsetzt.

Fazit: Sechs Grundregeln
für Gewinn förderndes Pricing

Mit dem Thema Pricing erfahrene Unternehmen beherzigen die folgenden sechs Grundregeln:

  1. Preisstrategie: Als Basis eines jeden Preismanagements sind die Preisstrategien für die jeweiligen Produkte und Dienstleistungen in den einzelnen Märkten, Branchen und Ländern festzulegen.
  2. Strategisches Preismanagement: Erfolgreiches Preismanagement basiert auf einer klugen Systematisierung einzelner Preissysteme, die allesamt in ein unternehmensweites Preiskonzept münden.
  3. Preisprozesse: Es ist festzulegen, wer im Unternehmen wann und auf welcher Grundlage bzw. mit welchen Instrumenten über die besten Preise in den jeweiligen Bereichen unter Einbezug welcher weiteren Personen entscheidet.
  4. Wertorientierte Preisfindung: Abgesehen von den eigenen Kosten und dem Preisgefüge der jeweiligen Mitbewerber müssen der ermittelte Nutzen des Kunden und dessen Zahlungsbereitschaft berücksichtigt werden.
  5. Preissysteme: Auf Basis einer wertorientierten Preisfindung sind Preissysteme zu etablieren, die positives Kundenverhalten nachvollziehbar belohnen, sodass gewünschte Absatz- und Ertragsziele auch erreicht werden.
  6. Implementierung und Steuerung: Der Vertrieb muss bei der Einführung neuer Preissysteme im Dialog mit seinen Kunden unterstützt werden. Hierfür benötigt er Argumentationshilfen, Tools und manchmal auch einen Coach.

Von allen Management-Instrumenten hat Pricing die stärkste Wirkung auf die Rentabilität von Unternehmen. „Bauchentscheidungen“ sind hier völlig deplatziert. Deshalb sollten Sie nach Möglichkeiten suchen, Ihre Gewinnsituation mit einer klugen und auf (zu schaffenden) Wettbewerbsvorteilen basierenden Pricing-Strategie nachhaltig zu optimieren.

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