Hybrid Cloud: Warum wir uns in Cloud-Pro­vi­sorien einrichten

Der Cloud- und Rechen­zentrums­bereich wird in den kom­men­den Jahren ein wichtiger Faktor für die Wirt­schaft im All­ge­mei­nen und für jedes ein­zel­ne Un­ter­neh­men sein. Warum? Weil es sich um die Mo­toren der Ge­schäfts­modelle han­delt. Auf ab­seh­bare Zeit sind Hybrid- und Multi-Cloud-Lösungen das Mittel der Wahl.

Der längere Zwischenschritt

Von Axel Oppermann

Diese digitale Transformation. Diese digitalen Transformationsziele. All diese Veränderungen. Immer mehr Manager erliegen diesem Wahn, diesem Virus. Immer mehr Unternehmen wenden sich dieser sogenannten digitalen Transformation zu; sie wollen Innovation, sie wollen Wachstum. Sie brauchen es. Und sie werden hierfür auf eigene Rechenzentren und die Cloud angewiesen sein, um die zugrunde liegenden Systeme, also sowohl die Legacy-Systeme als auch die neuen „digitalen“ Dienste, bereitzustellen. Sie treiben die Nachfrage nach mehr Rechenleistung, die hochgradig reaktionsschnell, skalierbar, verwertbar und agil ist, immer weiter voran. Aber: Sie verlangen eine andere Denke im Rechenzentrum. Hybrid Cloud, Multi Cloud. Und darüber hinaus.

Diese Cloud

Fakt ist, dass eine echte und vollständige Cloud-Migration selbst für die fortschrittlichsten und am weitesten fortgeschrittenen Unternehmen noch in weiter Ferne liegt – sofern diese Situation überhaupt gewollt ist. Dies bedeutet, dass Unternehmen nach Möglichkeiten suchen müssen, ihre Rechenzentren, ihre lokalen Lösungen mit ihren Cloud-basierten Services zu verbinden, damit ihre Systeme ihre Geschäftsprozesse unterstützen. Warum? Eine einzige Cloud würde nie ausreichen, egal wie sehr Amazon Web Services, Microsoft etc. es sich auch wünschen. Verantwortliche in Unternehmen wollen wissen, wollen sicherstellen, müssen sicherstellen, dass sie ihre Anwendungen und Dienste auf allen wichtigen öffentlichen Clouds sowie auf virtualisierten oder containerisierten privaten Infrastrukturen ausführen können bzw. könnten.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „Rechen­zentren und Infra­struktur“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Es geht hier nicht nur um die Herstellerbindung, den sogenannten Vendor Lock-in. Es geht vielmehr darum, dass niemand auf die Möglichkeit verzichten will – oder sollte –, den besten verfügbaren Service, die beste Cloud für einen bestimmten Bedarf zu wählen. Deshalb müssen in naher Zukunft noch mehr Zeit und Gewicht darauf gelegt werden, die geschäftlichen Anforderungen und die technischen Voraussetzungen zu bewerten, um die Art der Infrastruktur auf die Workloads anzupassen. Und/oder umgekehrt. Die Herausforderung liegt also mit anderen Worten darin, Lösungen für Probleme bzw. Anforderungen auszuwählen, die den derzeitigen und zukünftigen Bedarfen im Unternehmen gerecht werden. Dabei gilt es nicht nur, die Kosten im Auge zu behalten, sondern auch die technische und operative Machbarkeit.

Diese Hybrid-Cloud

Damit den wachsenden Anforderungen an Rechenzentren genüge getan wird und zusätzliche Vorteile wie Agilität, Skalierbarkeit und regelmäßig globale Reichweite geboten werden, verwandelt sich das traditionelle Rechenzentrum in ein hybrides Rechenzentrum. Und diese Entwicklung wird in den kommenden fünf Jahren nicht an Bedeutung verlieren. Vielmehr wird die Hybrid Cloud weiterhin in der Mehrzahl der Unternehmen eine sehr hohe Priorität haben. Warum? Weil diese Form den heutigen Geschäftsanforderungen entspricht und gleichzeitig der kleinste gemeinsame Nenner ist, um Anforderungen und Trends wie ML (Machine Learning) und KI/AI (künstliche Intelligenz/Artificial Intelligence) abzubilden.

Dies spiegelt sich auch in den Marktzahlen wider: Die Berater von IDC prognostizieren den weltweiten Markt für Hybrid-Cloud-Data Services im Jahr 2021 auf ungefähr 70 Milliarden US-Dollar. Die Marktforscher von ISG in ihrer Studie „Provider Lens Germany 2018“ sehen allein den deutschen Public-Cloud-Markt in diesem Jahr bei rund 17 Milliarden Euro. Auch sie sehen eine extreme Nachfrage nach Hybrid-Cloud-Lösungen und -Services. Insbesondere Anbieter von Hybrid-Integration und Broker-Services sind mit ihrer technischen und organisatorischen Expertise gefragt.

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Für IBM zeichen sich (industrietaugliche) Hybrid Clouds durch sechs Merkmale aus: Integration, Sichtbarkeit/Kontrolle, Sicherheit, DevOps, Portabilität und Datenmanagement.(Bild: IBM)

Diese Hybrid-Cloud-Anbieter

Am Hybrid-Cloud-Markt tummelt sich alles, was in der IT-Industrie Rang und Namen hat, ferner zahlreiche Spezialisten. Natürlich sind hier VMware, AWS, Microsoft, Rackspace, HP, Google, IBM und Cisco zu nennen, aber auch, von vielen noch immer nicht gewürdigt, Alibaba Cloud oder auch Red Hat sowie NTT. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Serviceanbietern in diesem Kontext.

Dabei sind die Strategien durchaus unterschiedlich: Während VMware Partnerschaften mit Amazon und Google mit Cisco eingegangen ist, liefert Microsoft vieles aus einer Hand. Neben Azure und Windows Server auch Azure Stack, eine Appliance, gedacht als On-premises-Version der Public Cloud Azure. Branchengerüchte lassen allerdings den Schluss zu, dass Azure Stack nicht der erhoffte Straßenfeger ist. Die Anzahl der ausgelieferten Einheiten, respektive der Kunden, soll überraschend klein sein. Der Grund hierfür liegt insbesondere an den Preisen und dem Appliance-Ansatz. Der für das zweite Halbjahr 2018 angekündigte Windows Server 2019 soll das Hybrid-Cloud-Geschäft für Microsoft weiter forcieren. Dies soll über verbesserte Container-Services, Linux und zahlreiche Funktionen für Compliance und Sicherheit erreicht werden.

Die Partnerschaft von VMware und AWS zielt darauf ab, ein integriertes Cloud-Angebot bereitzustellen, das jeder der Anbieter in dieser Form nicht allein hinbekommen würde. Im Kern geht es darum, auf vSphere-basierte Cloud-Umgebungen mit den AWS-Services einfach, sicher und sinnvoll zu verschmelzen. VMware-Cloud on AWS ist das von VMware entwickelte Software-definierte Rechenzentrum (SDDC), das in der AWS-Cloud läuft, sodass Anwender quasi jede beliebige Anwendung in Public-, Private- oder Hybrid-Cloud-Umgebungen ausführen können. Mit dem Service laufen VMware, vSphere, vSAN und NSX auf der AWS-Cloud. Der Dienst ist für den Betrieb auf einer dedizierten Bare-Metal-AWS-Infrastruktur optimiert. Neben der Kooperation mit AWS ist VMware unter anderem noch eine Partnerschaft mit IBM eingegangen. Ein Plus für VMware-Kunden sind außerdem die zahlreichen Partnerschaften mit Cloud-Anbietern, hierzu zählen Microsoft, AWS, Google und IBM, und ein eigenes Cloud-Provider-Partner-Programm, an dem nach Unternehmensangaben über 4000 Partner teilnehmen.

Rackspace wiederum arbeitet mit einer Vielzahl von Cloud-Anbietern zusammen. Ziel ist es, ein breites Portfolio anzubieten. Die hybride Cloud-Lösung von Rackspace basiert auf RackConnect, das die privaten Clouds eines Unternehmens mit den Diensten von Rackspace und/oder Public-Cloud-Angeboten von AWS, Microsoft oder Google verbindet.

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RackConnect verbindet eigene Firmenserver mit der Managed Cloud zur Multi-Hybrid-Cloud über mehrere Umgebungen, Anbieter und Rechenzentren hinweg. IDC stuft den Anbieter als Leader im Segment „Platforms – Managed OpenStack Distributors“ ein. (Bild: Rackspace)

Auch IBM adressiert das Thema Hybrid Cloud vollumfänglich, nicht nur über Partnerschaften. Von Servern über Mainframes bis hin zu Speichersystemen und Software bietet IBM umfassende Ansätze. Die Cloud-Plattform von IBM kombiniert Platform as a Service mit Infrastructure as a Service und umfasst um die 170 Dienste für on premises und Public Cloud. Das, was als IBM Cloud vermarktet wird, ist im Prinzip die neue Dachmarke, die durch das Zusammenlegen von Bluemix, SoftLayer und Watson kreiert wurde. Die Services umfassen unter anderem virtualisiertes und Bare-Metal-Hosting, DevOps, Container und Serverless Computing, Blockchain, AI/ML und HPC (High Performance Computing). Mit dem Bare-Metal-Angebot ist es möglich, lokale Workloads, die auf IBM-Plattformen laufen, ohne oder mit nur geringen Änderungen in die Cloud zu verlagern.

Wie andere Cloud-Provider auch hat sich Google zunächst auf „Cloud pure play“ konzentriert. Im Gegensatz zu anderen Anbietern ist Google erst relativ spät umgeschwenkt. Partnerschaften mit Cisco sollen den Bereich nun forcieren. Jedoch: Während es für Google wahrscheinlich eine weitere beliebige Partnerschaft ist, handelt es sich für Cisco tatsächlich um eine reale Weiterentwicklung des Cloud-Geschäfts, der Cloud-Strategie. In anderen Worten: Google will die Nutzung seiner Cloud steigern, sowohl was die Anzahl an Kunden als auch die Durchdringung beim Kunden angeht. Dadurch ist jede relevante Partnerschaft mit einem etablierten Technologieunternehmen, die eine einfachere Migration von Workloads in die Public Cloud ermöglicht, ein Erfolg für Google. Cisco ist ein solcher Partner. Für Cisco sind tief gehende Integrationen in Clouds kurz- und mittelfristig wichtiger als eine Positionierung als unabhängiger Management-Software-Anbieter bzw. Anbieter von Software-Overlays oder als Cross-Cloud-Softwareplattformermöglicher.

Im magischen Viereck

Eine hybride Cloud kombiniert vorhandene Rechenzentrumsressourcen mit vorgefertigten IT-Infrastrukturressourcen wie Computing, Networking, Storage, Applikationen und Services, die Skalierungsfunktionen bieten, die in IaaS- oder Public-Cloud-Angeboten zu finden sind. Hybrid Clouds bieten Vorteile wie zukunftssichere Investitionen für Unternehmen, Sicherheit und Flexibilität und so weiter mit den schönen Marketing-Botschaften. Und so weiter mit den Erfolgsgeschichten. Doch halt! Stopp. Ein anderer Blick auf die Hybrid-Cloud ist wichtig.

Die These: Während die Hybrid Cloud als Modell, insbesondere im Kontext mit Multi-Cloud-Strategien, relevant ist, kann sie erstens für viele Workloads nur als ein Zwischenschritt verstanden werden. Hybrid-Clouds sind ein Mittel der Wahl auf bestimmte Zeit; gehen wir hier mal von einem Zeitraum von vier bis sechs Jahren aus. Zum anderen werden die Vorteile von Hybrid und Multi-Clouds nicht darüber hinwegtäuschen, dass das eigene Rechenzentrum für viele Unternehmen wieder an Bedeutung gewinnen wird; dass viele Unternehmen den Aufbau von Private Clouds forcieren werden. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Hybrid Clouds nicht zwingend günstiger und einfacher sind.

Untermauerung der These: Vor einiger Zeit, so vor vier bis fünf Jahren, begannen viele, begannen immer mehr Unternehmen damit, einen relevanten Teil ihrer Infrastruktur und „alles Neue“ in die Public Cloud zu verlagern. Sie bauten hybride Szenarien auf. Ein primäres Ziel: Kosten reduzieren. Die Verantwortlichen gingen davon aus, dass sie dadurch sparen und sowohl die betriebliche Komplexität als auch den Personalbestand reduzieren. Schaut man heute etwas genauer hin, wird sichtbar, dass oft nur wenige oder gar keine dieser Ziele erreicht wurden. Stellt man nämlich ROI-Rechnungen von Cloud-Projekten der „ersten Generation“ sorgfältig auf und vergleicht Opex-Budgets mit Lösungen, die man im eigenen Unternehmen entwickelt oder betreibt, betrachtet man die Management-Ressourcen und die Aufwände, dann wird sichtbar, dass mit mehr architektonischer Flexibilität nicht mehr technische Kontrolle oder bessere Sicherheit einhergeht. Vielmehr wird klar, dass es sich in Wirklichkeit um ein magisches Viereck mit den Eckpunkten Kosten, Sicherheit, Flexibilität und Komplexität handelt. Dass nicht alle Anforderungen gleichzeitig optimiert bzw. maximiert werden können. Dies gilt sowohl für infrastrukturorientierte Ansätze, für anwendungszentrierte Ansätze, für API-zentrierte und für datenzentrierte Cloud- bzw. Hybrid-Cloud-Ansätze.

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Axel Oppermann berät seit über 17 Jahren als IT-Markt­analyst Technologie­unternehmen in Strategie- und Marketing-Fragen. Er arbeitet beim Beratungs- und Analysten­haus Avispador, schreibt für diverse Blogs, Portale, Fach­zeitschriften und kommentiert in diversen Bewegt­bild­formaten aktuelle Themen sowie den Markt. Als Gesprächs­partner für Journalisten und Innovatoren bringt Axel erfrischend neue Ansichten über das Geschehen der digITal-Industrie in die Diskussion ein. Seine viel­fältigen Erkenntnisse gibt Axel in seinen kontroversen, aber immer humor­vollen Vorträgen, Seminaren, Work­shops und Trainings weiter. Seine Themen: Digital & darüber hinaus.

Auf das Gerät ausgerichtet

Die Zeiten, in denen Unternehmen Cloud-Services in erster Linie als Mittel zur Erweiterung der Infrastruktur betrachteten, sind schon länger vorbei. Klar ist: Die Infrastruktur ist nach wie vor kritisch. Sie sollte aber nicht der primäre Grund sein, die Cloud einzuführen. Ein noch immer oft vorgebrachter Anlass für Hybrid-Szenarien sind Compliance-Anforderungen. Vielfach wird unterstellt, dass diese Anforderungen nicht in einem Pure-Public-Cloud-Konstrukt realisiert werden könnten. Auch dies sollte aber nicht mehr der primäre Grund sein. Vielmehr müssen die geschäftlichen Anforderungen im Vordergrund stehen. Also: Der primäre Grund für hybride Cloud-Szenarien müssen die Anforderungen der Geschäftsbereiche sein. Die Fragen dazu lauten: Wie kann ich das Geschäftsziel optimiert und nachhaltig erreichen? Wann muss ich meine operative Ausrichtung im Rahmen meiner Strategie ändern?

Die Ziele können mit hybriden Modellen als Zwischenschritt realisiert werden. Mit einem Zwischenschritt zu einer vollständigen Public-Cloud-Infrastruktur oder einer vollständigen privaten Cloud. Auch ein belastbarer solider Kompromiss zwischen einer Aufteilung in „eigenes Rechenzentrum“ und Public Cloud, bezogen auf einzelne dezidierte Geschäftsanforderungen, bleibt immer nur ein Kompromiss.

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