IT-Berufe in der Automobilindustrie: Wo die Fahrzeugbauer IT-Spezialisten brauchen

Als Arbeitgeber für Informatiker liegt die Automobilindustrie auf der Beliebtheitsskala weit vorn. Sie ist der Boom-Bereich von M2M und verselbstständigter Datenkommunikation schlechthin. Hier entstehen Jobs, die es noch nie gegeben hat. Und wer versteht etwas von Autos? Die Deutschen.

Kfz mit Code-Antrieb

Von Bernhard Schoon

Ein Jahresumsatz von über 350 Mrd. Euro, 750.000 Beschäftigte und nach China und den USA drittgrößter Autobauer der Welt: Die Autoindustrie ist die mit Abstand bedeutendste Branche in Deutschland. Und unübersehbar geht der Trend zu immer mehr Elektronik im Fahrzeug. „Die deutsche Automobilindustrie ist international Vorreiter bei Zukunftstechnologien wie dem automatisierten und vernetzten Fahren – und steht an der Spitze bei der Neuerschaffung des Autos als voll digitalisierter Mobilitäts-, Kommunikations- und Informationsplattform“, frohlockte der Industrieverband Bitkom noch im Juni 2015. Ob dies nach den jüngsten Skandalen noch zutrifft, wird die Zukunft zeigen.

Dessen ungeachtet stecken in einem modernen Fahrzeug Unmengen Zeilen an Softwarecode, viel Arbeit also für Informatiker und Entwickler. Fahrerassistenzsysteme, Motorsteuergeräte, Navigations- und Audiosysteme, der Internet-Anschluss oder die Car-to-X-Kommunikation, die im Vorbeifahren über Gefahren informiert und den Verkehrsfluss steuert – all dies sieht nach blühenden IT-Landschaften aus, für die es kaum Gärtner gibt. Und auch Innovationen wie Elektromobilität oder autonomes Fahren setzen Fachkräfte voraus, die mit der entsprechenden IT umgehen können.

Vernetzte Motorwelt

Der Kampf um GIS und Navigationsstandards ist gerade voll entbrannt und die nächste Entwicklungsstufe der Fahrzeugtechnik, an der eine ganze IT-Generation noch viel Arbeit und Spaß haben wird, ist bereits in Sicht: „Connected Cars“ sind nicht nur intern vernetzt, sondern können online gehen und über das Internet Kontakt mit der Unternehmens-IT aufnehmen. Konnektivitätsdienste ermöglichen für Unternehmen ein ausgefeiltes Flottenmanagement mit vielen innovativen Features. So lässt sich etwa die gefahrene Strecke eines Dienstwagens direkt in die Reisekostenabrechnung übernehmen, oder der Kraftstoffverbrauch in Echtzeit kalkulieren.

Nach einer Berechnung des Marktforschungsinstituts Gartner wird es schon 2020 weltweit 250 Mio. vernetzte Autos geben. Sobald die derzeitigen Probleme mit dem Datenschutz und der Sicherheit einigermaßen geklärt sind, werden sich schon bald Fahrzeuge ohne eingebaute Konnektivitätsdienste nur noch schlecht verkaufen lassen. Informatiker und IT-Entwickler haben daher gute Berufsaussichten bei den Autokonzernen und ihren Zulieferern.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Heise-Beilagen­reihe „IT und Karriere“. Einen Über­blick mit Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Global Player und Zulieferer

Die großen Automarken kennt jeder. Doch ebenso viele Mitarbeiter sind bei den zahlreichen Zulieferfirmen beschäftigt, die für die Entwicklung und Herstellung der Einzelteile und Baugruppen eines modernen Fahrzeugs sorgen. Mittlerweile übernehmen die Zulieferer immer mehr Leistungen bei der Produktion und der Entwicklung, allerdings unter einem extrem hohen Kosten- und Preisdruck. Die Folgen des harten Wettbewerbs sind wirtschaftliche Spannungen, Übernahmen und Insolvenzen, aber auch sinkende Entwicklungsbudgets und nachlassende Innovationsleistungen. Davon betroffen sind vor allem die kleinen Zulieferfirmen, die auf Gedeih und Verderb dem Großkundenrisiko ausgesetzt sind. Dagegen übertreffen die Großen der Branche die Autohersteller oft an Umsatz und Zahl der Beschäftigten, sodass sie mit ihnen auf Augenhöhe verhandeln können.

Neben Klein-, Mittel- und Luxuskarossen werden in Deutschland auch Nutzfahrzeuge hergestellt. Zwar wird dieser Markt von Großunternehmen dominiert, doch in den Spezialnischen tummeln sich vor allem mittelständische Betriebe. Zu beobachten ist ein turbulenter Markt mit Fusionen und Insolvenzen, aber auch Kooperationen zwischen unabhängigen Herstellern. Als nächste große Welle, so steht zu erwarten, schwappt die massive Expansion asiatischer Hersteller von Nutzfahrzeugen nach Europa.

Serie: Mobilität 4.0
Der Einführungsbeitrag beginnt in Berlin – die Bundeshauptstadt ist experimentierfreudiger Vorreiter neuer Mobilitätskonzepte. Gute Beispiele meldet der Report auch aus Hamburg und Dresden. Teil 2 begibt sich dann in den Westen nach Nordrhein-Westfalen; dort hat das Zukunftsnetz Mobilität NRW viele Projektfäden in der Hand. Eine wichtige Rolle spielt hier der öffentliche Personennahverkehr, denn immer mehr Verkehrsbetriebe lassen ihre Busse mit Biogas fahren. Teil 3 geht zu den Ursprüngen der Automobilindustrie und sieht sich an, wie sich Baden-Württemberg und insbesondere Stuttgart die Zukunft der Mobilität vorstellen. Teil 4 berichtet aus dem benachbarten Flächenland Bayern, Teil 5 fährt über die Grenze nach Österreich. Außerdem gibt es bereits einen Report zu mobilen Stauwarnanlagen und intelligentem Verkehrsmanagement sowie zu autonomen Schiffen, Wasserstoffprojekten, Business-Bikes, Stadtseilbahnen sowie Lufttaxis und Urban Air Mobility.

Für IT-Experten kommt aber auch der klassische Autohandel als Arbeitgeber infrage. Auf der Suche nach gebrauchten Modellen oder schicken Neuwagen können die Kunden in virtuellen Verkaufsräumen mit 3D-Modellen spielen, bis ihnen ihr Wunschfahrzeug auf dem Bildschirm entgegenlächelt. Für die Händler werden auch Online-Plattformen als zusätzlicher Verkaufsraum immer wichtiger, denn sie erreichen mehr Menschen als eine gedruckte Anzeige und bieten darüber hinaus mehr Serviceleistungen. Ein dankbares Umfeld für Multimedia-Experten und Web-Designer, aber auch für CRM-Fachleute.

Pole Position für Berufseinsteiger

Derzeit müssen IT-Fachkräfte, die in der Automobilindustrie unterkommen möchten, nicht zwingend Automotive-Erfahrung mitbringen, zumindest aber eine gewisse Begeisterung für Autos und die Branche. Den Unternehmen sind Berufseinsteiger und reine Informatiker oft am liebsten. Wer eine gründliche Informatik-Ausbildung hinter sich hat, kann das nötige branchenspezifische Know-how schneller dazulernen, als dies umgekehrt der Fall ist.

Allerdings deckt die Statistik ein grundlegendes Manko auf: Informatik-Absolventen sind in der Regel weniger flexibel und mobil als andere Akademiker. Über die Hälfte der Absolventen sucht nur am Studienort oder in der vertrauten Heimatregion nach einem passenden Job. Lediglich ein Drittel der Absolventen bewirbt sich deutschlandweit nach einer passenden Arbeitsstelle. Das Schlusslicht bilden mit 8 % die Berufseinsteiger im Ausland. Ihre ausländischen Kommilitonen machen Ihnen jedoch Konkurrenz: Von den IT-Gaststudenten wollen zwei Drittel auch nach dem Studium in Deutschland arbeiten, wobei die großen Automarken auf der Liste ganz oben stehen.

Vom Start weg gut gepolstert

Wegen der hohen Nachfrage verdienen IT-Fachkräfte mit Hochschulabschluss in der Autoindustrie relativ gut. Umgekehrt scheint auch der IT-Nachwuchs die Autobranche zu favorisieren, denn im Graduate Barometer des Trendence-Instituts, das auf der Befragung von mehr als 6600 IT-Absolventen beruht, finden sich unter den Top 100 zwölf Hersteller- und Zulieferfirmen. Die Automobilbranche gilt nach wie vor als Schlüsselindustrie, die Gehälter liegen hier rund 8 % höher als im Bundesdurchschnitt. Besonders gefragt sind Bewerber, die eine Kombination aus IT-Grundlagenwissen gepaart mit Kenntnissen in anderen Disziplinen wie Elektrotechnik, Maschinenbau, Fahrzeugelektronik, Telematik oder Betriebswirtschaft mitbringen.

Die Einstiegsgehälter der Autohersteller sind in den letzten fünf Jahren um rund 11 % gestiegen. Junge Entwicklungsingenieure erhalten im Schnitt ein Jahresgehalt von rund 50.000 Euro – und damit doppelt so viel wie ein gleichaltriger Verkäufer in einem Autohaus. Wer als Wirtschaftswissenschaftler in die Autoindustrie einsteigt, erhält ein durchschnittliches Jahresgehalt von 43.100 Euro.

Unterscheidet man nach Studienabschlüssen, erhalten Berufseinsteiger mit einem Diplom rund 47.500 Euro, gefolgt von Masterabsolventen mit 46.000 Euro pro Jahr. Wer eine Fachhochschule besucht hat, kann mit 44.500 Euro rechnen, Bachelorkandidaten erwarten rund 44.000 Euro jährlich. Es verwundert kaum, dass eine Promotion mit einem Einstiegsgehalt von 58.600 Euro belohnt wird. Trainees erhalten unabhängig vom Studienfach etwa 44.100 Euro pro Jahr.

Auch die Abteilung bestimmt die Höhe des Einstiegsgehaltes. So können Berufsanfänger in Forschung und Entwicklung mit 47.400 Euro rechnen, in der Produktion erreicht man bis zu 48.000 Euro. In der Konstruktion erhalten Fachkräfte rund 45.200 Euro, eine Stelle im Vertrieb bringt 46.100 Euro. Im Vergleich dazu erhalten kaufmännische Einsteiger im Durchschnitt 42.000 Euro pro Jahr. Die Faktoren Unternehmensgröße und geografische Lage bergen keine Überraschungen: Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass Großkonzerne in der Regel höhere Gehälter zahlen als mittelständische Unternehmen. In den westlichen Bundesländern wird mehr verdient als im Osten, in Großstädten mehr als auf dem Land.

Was ein Mitarbeiter nach dem Einstiegsgehalt erreichen kann, hängt vor allem von seiner Leistung, seinem Verhandlungsgeschick und seiner Wechselbereitschaft innerhalb und zwischen Unternehmen ab. In manchen Unternehmen erhalten die Mitarbeiter auch Prämien und Boni aufs Gehalt. Und wer sich zum IT-Manager hocharbeitet, dem winkt ein sechsstelliges Jahresgehalt.

Feste Jobs und freie Fälle

Neben fest angestellten Mitarbeitern beschäftigt die Automobilindustrie bei Bedarf auch IT-Freelancer in den Bereichen IT-Sicherheit, Multimedia und CRM-Lösungen. Insgesamt und in über alle Branchen hinweg sind in Deutschland rund 100.000 selbstständige IT-Fachleute aktiv. Obwohl die IT-Branche unter Fachkräftemangel leidet, bauen Konzerne häufig feste Stellen ab und setzen lieber auf Selbstständige. Für die Unternehmen rechnen sich Freelancer besser als angestellte IT-Experten. Ein Grund sind die hohen Kosten für die Suche nach Mitarbeitern, wie etwa Anzeigen- und Reisekosten, sowie der administrative Aufwand.

Aber auch die Suche nach IT-Freelancern verursacht Kosten, und das in einem begrenzten Bewerbermarkt mit zigtausend unbesetzten IT-Stellen. Dennoch gilt als Faustregel, dass Selbstständige für Projekte, die weniger als 26 Monate beanspruchen, kostengünstiger sind als gleich qualifizierte Festangestellte. Erst wenn ein Mitarbeiter länger als 2,5 Jahre im Unternehmen arbeitet, rechnet sich ein unbefristeter Arbeitsvertrag.

IT-Freiberufler erhalten im Schnitt einen Stundensatz von 85 Euro, in der Praxis sind aber auch Honorarbeträge von weniger als 70 und mehr als 100 Euro pro Stunde möglich. Damit lassen sich rund 10.000 Euro im Monat verdienen, also deutlich mehr als die meisten fest angestellten Mitarbeiter. Doch natürlich müssen sich Freelancer selbst versichern und ihre Altersvorsorge finanzieren. Auch die Buchführung und nicht zuletzt die Suche nach neuen Aufträgen nehmen Zeit und Geld in Anspruch – häufig mehr als drei Arbeitstage pro Monat –, denn Freischaffende arbeiten nur im Ausnahmefall ununterbrochen für einen einzigen Auftraggeber. Dass einem abgeschlossenen IT-Projekt sofort das nächste folgt, ist ein seltener Glücksfall. Zudem müssen sich Selbstständige auf eigene Kosten weiterbilden. Bei den kurzen Innovationszyklen der IT fallen die Kosten für Weiterbildung sowohl bei selbstständigen als auch angestellten IT-Fachkräften an.

Aus all diesen Gründen lassen sich die Einkommen selbstständiger und angestellter Mitarbeiter eher schwer vergleichen, ebenso wie die Produktivität, also das eigenständige Arbeiten ohne Fehler und Rückfragen in einer akzeptablen Zeit. Wenn so manche Unternehmen den großen Arbeitseifer der Freiberufler herausstellen, rührt das möglicherweise daher, dass die unsichere Beschäftigungslage sie zu mehr Leistung antreibt, verbunden mit der Hoffnung, eine feste Anstellung zu erhalten.

In der Regel werden externe IT-Freelancer nicht von den Automobilunternehmen selbst beauftragt, sondern von einem Projektvermittler rekrutiert. Auch Systemhäuser, IT-Dienstleister oder Berater sind Anlaufstellen bei der Suche nach selbstständigen Mitarbeitern. Nicht selten sind mehrere Instanzen bei der Rekrutierung selbstständiger Mitarbeiter involviert, etwa wenn eine Personalagentur ein Systemhaus einschaltet – oder umgekehrt. Mehr als zwei beteiligte Vermittlungsstellen bilden jedoch die Ausnahme. Insgesamt wird heute nur noch ein Viertel aller IT-Freiberufler direkt vom Unternehmen gesucht und beauftragt.

Fazit: Meine Karriere auf dem Navi

Einerlei ob freiberuflich unterwegs oder fest angestellt, junger Berufseinsteiger oder gestandener Allrounder – der Automotive-Sektor hält für IT-Spezialisten in jedem Fall spannende Projekte und jede Menge Spielraum für Innovationen bereit. Das Auto der Zukunft ist bereits erfunden, es muss nur noch in die Gegenwart geholt werden!

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