Franz-Reinhard Habbel: Wann Kommunen von der Digitalisierung profitieren

E-Government und Verwaltungsmodernisierung sind gut und schön, sagt Franz-Reinhard Habbel vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Mit neuer Technologie alte Prozesse abzubilden, ist aber nicht gut genug. Im Interview fordert er Städte und Gemeinden dazu auf, verstärkt über Kooperationen nachzudenken.

Kommunen sollten mehr Kooperation wagen

Franz-Reinhard Habbel ist Sprecher und Direktor für politische Grundsatzfragen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) und Leiter des dortigen Innovators Clubs. Auch als Vorstandsmitglied der European Society for eGovernment e.V. ist er ein starker Verfechter der Digitalisierung in der Verwaltung. Jenseits aller technischen Fragen hat er eine klare Vision: „Ich denke, wir müssen noch einen Schritt weitergehen und auch über neue Verwaltungsstrukturen und Kooperationsmodelle nachdenken.“

MittelstandsWiki: Sie kritisieren, dass die Verwaltung in Bezug auf den digitalen Wandel schlecht aufgestellt sei. Auf der anderen Seite ist der Staat doch sehr aktiv. Er hat z.B. das E-Government-Gesetz auf den Weg gebracht; es gibt Vorhaben wie die Nationale Prozessbibliothek oder LeiKa. Was muss sich Ihrer Meinung nach noch ändern?

Franz-Reinhard Habbel: Das Problem dieser Aktivitäten ist, dass weitgehend die bisherigen Strukturen beibehalten werden. Sie werden eben nur digitalisiert, bzw. man gestaltet die Prozesse effizienter. Ich denke, wir müssen noch einen Schritt weitergehen und auch über neue Verwaltungsstrukturen und Kooperationsmodelle nachdenken.

MittelstandsWiki: Das heißt konkret?

Franz-Reinhard Habbel: Ein ganz entscheidender Punkt ist, dass wir uns stärker vernetzen und enger zusammenarbeiten. Sowohl horizontal auf interkommunaler Ebene als auch vertikal zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Wir sprechen zwar ständig über interkommunale Zusammenarbeit und deren Vorteile, aber in Wirklichkeit leben wir weiterhin in Silos. Ich denke hier an einen integrativen Ansatz, an einen offenen Kommunikationsraum, bei dem auch die Bürger miteinbezogen werden. Es gibt bereits Tendenzen einer Art Bürgerselbstverwaltung, z.B. im Bereich der Mobilität, bei den Mitfahrzentralen. Als Verwaltung muss ich mich hier doch fragen, was solche Portale für mein Produkt bedeuten. Es ist wichtig, die Dinge stärker aus der Nutzenperspektive zu sehen – und darauf zu reagieren.

MittelstandsWiki: Zwischen Kommunen – gerade in unmittelbarer Nachbarschaft – herrscht oft ein harter Wettbewerb, z.B. bei der Ansiedlung von Unternehmen. Das dürfte einer stärkeren Zusammenarbeit entgegenstehen.

Franz-Reinhard Habbel: Es gibt natürlich eine gewisse Konkurrenz, vor allem zwischen Nachbarstädten. Aber auch hier entwickelt sich langsam ein stärkerer regionaler Ansatz heraus. Wenn ein Unternehmen in eine Region übersiedelt, profitiert auch die Nachbarstadt – etwa weil die Mitarbeiter dort Veranstaltungen besuchen oder dort einkaufen. Das kann man nicht immer so messerscharf trennen. Es gibt aber auch viele Bereiche, bei denen die Städte nicht im Wettbewerb stehen. Denken Sie an Bereiche wie Personalabrechnung, Haushaltsmanagement oder Vergabewesen. Warum muss eigentlich jede Stadt ein eigenes Team beauftragen, das sich um diese Aufgaben kümmert? Hier könnten sogar Städte zusammenarbeiten, die geografisch weiter voneinander entfernt liegen. Teilweise werden diese Prozesse ja schon über gemeinsame Rechenzentren organisiert.

MittelstandsWiki: Da müsste sich auf rechtlicher Ebene aber noch einiges ändern!

Franz-Reinhard Habbel: Das ist korrekt. Es gibt noch einige rechtliche Hemmnisse, z.B. in Bezug auf die Arbeitnehmerüberlassung. Hier sollten Ausnahmeregelungen diskutiert werden. Dann wäre es wichtig, finanzielle Anreizsysteme zu setzen. Die Förderprogramme der Länder arbeiten ja mit Einwohnerschlüsseln, d.h. die Höhe der Fördermittel errechnet sich aus der Einwohnerzahl. Hier müssten andere Faktoren, z.B. Kooperationen mit anderen Kommunen, stärker gewichtet werden. Und ein ganz wichtiger Aspekt ist natürlich die IT-Sicherheit. Hier muss ein klarer Konsens zur sicheren Datenübertragung gefunden werden. Eine der größten Herausforderungen wird es aber sein, einen Mechanismus zu finden, der diese Form der Zusammenarbeit auf eine rechtlich saubere Basis stellt; die Entscheidungen und die Zuständigkeiten müssen überprüfbar sein.

MittelstandsWiki: Und was können Kommunen konkret tun, die mehr Kooperation wagen möchten? An wen können sie sich wenden?

Franz-Reinhard Habbel: Wir haben im Deutschen Städte- und Gemeindebund den Innovators Club (IC) gegründet. Das ist ein Thinktank, in dem sich rund 50 Bürgermeister, Oberbürgermeister, Landräte und Wissenschaftler zweimal jährlich treffen, um über Zukunftsthemen wie Bildung, IT oder Kommunikation zu diskutieren. Aus den Gesprächen entwickeln wir Papiere und Handlungsempfehlungen, die wir auch veröffentlichen. Darüber hinaus veranstalten wir mehrmals im Jahr die Innovators Lounges, bei denen wir Kommunalvertreter einladen, über diese Themen zu diskutieren und gemeinsam, Lösungen zu erarbeiten.

MittelstandsWiki: Herr Habbel, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Philipp.

Serie: Kommunale Spitzenverbände
Teil 1 gibt einen ersten Überblick über Aufgaben von Deutschem Städtetag, Deutschem Städte- und Gemeindebund und Deutschem Landkreistag. Teil 2 konzentriert sich zuerst auf die ITK-Positionen und Datenstrategien des Deutschen Städtetags. Teil 3 klopft beim Deutschen Landkreistag an und erläutert dortigen Vorstellungen von Verwaltungsmodernisierung.