Medienkompetenz

Wo potenzielle Kunden blättern

Von Lisa Reisch

Die erste Hürde zur gelungenen Pressearbeit ist schon genommen, wenn ein Unternehmen seine Zielgruppe genau kennt und sich auf ihre Bedürfnisse einstellt.

Alleine im deutschen Sprachraum tummeln sich Abertausende von Medien: Zeitungen, Zeitschriften, Magazine, Radio- und Fernsehsender, Newsletter, redaktionelle Websites, Foren, Blogs und das ganze Social Web. Trotz aller Unterschiede haben alle Medien eine Gemeinsamkeit: eine definierte Zielgruppe. Schon wegen den Anzeigenkunden ist jede Publikation gezwungen, sich auf eine bestimmte Klientel festzulegen.

Deshalb sollten sich Unternehmer vor jeder Marketing– und Presseaktion ein möglichst klares Bild von der eigenen Zielgruppe vor Augen führen. Dazu gehört eine Kundenwertanalyse und die sorgfältige Zielgruppenanalyse. Aus den Vorlieben und Bedürfnissen leitet das Unternehmen auch sein Image ab – ein wichtiger Schritt zur Markenbildung. In der Praxis gibt es also für nahezu jede Botschaft das optimale Medium, das sie transportieren sollte.

Zielgruppe und Adressaten

„Einfach alle“ sind keine Zielgruppe, sondern ein frommer Wunsch. Das trifft nicht einmal beim klassischen Gemischtwarenladen zu. Denn alle Kunden eines solchen Geschäftes verbindet immerhin eine demografische Gemeinsamkeit: Sie wohnen oder arbeiten in der Nähe des Geschäftes.

Demografie ist jedoch nicht für jedes Unternehmen von Bedeutung. Ein eBay-Händler muss sich darüber kaum Gedanken machen. Seine Zielgruppe benutzt einen Computer und bringt technische Affinität mit – doch auch das sind Merkmale für die Zielgruppenanalyse. Um sich über alle Fakten zur Zielgruppe klar zu werden, gehen Marketingprofis ähnlich wie Profiler in Krimis vor. Sie erstellen eine Matrix mit Einträgen zu Geschlecht, Alter, Wohnort, Religion, Einkommen, Bildungsstand, Vorlieben, Familienverhältnissen auf und generieren daraus einen Idealtypus. Sich diesen Typus genau vor Augen zu führen, macht es dann wesentlich leichter, ihn anzusprechen. Viele Kreative arbeiten deshalb mit einem Trick: Sie stellen sich eine Person aus ihrem Bekanntenkreis vor, die die Eigenschaften der Zielgruppe am besten verkörpert und arbeiten nur für sie.

Dass Zielgruppe und tatsächliche Kunden keineswegs immer übereinstimmen müssen, hat sich z.B. bei der Frauenzeitschrift Cosmopolitan erwiesen. In den 1990er-Jahren waren als Zielgruppe anspruchsvolle, gut verdienende Frauen zwischen Dreißig und Vierzig definiert. Die tatsächliche Leserschaft war aber viel jünger, weniger gut verdienend – und oft auch männlich. Die jungen Frauen genossen es jedoch, wie eine wohlhabende, anspruchsvolle, reife Frau angesprochen zu werden. Heute ist bei Cosmopolitan auch die Zielgruppendefinition deutlich jünger geworden, damit sie mit den Zielgruppen der Werbekunden besser übereinstimmt.

Marke und Postitionierung

Vor allem Einzelunternehmern aus dem Mittelstand fällt es schwer, für ihr Unternehmen und damit für sich selbst eine Marke zu definieren. Unter „Marke“ verstehen die meisten Menschen Produkte wie „Tempo“, „Mercedes“ und Meister Proper. Es erfordert auch tatsächlich ein Umdenken, um den Markengedanken auf kleine und mittlere Unternehmen zu übertragen. Ein aktuelles Beispiel ist jedoch Paris Hilton. Jedes Detail ihres Images ist akribisch geplant, wird sorgfältig in Szene gesetzt und mit gewaltigem Medienaufwand unter die Leute gebracht. Der Erfolg: Inzwischen denken die meisten Menschen bei „Hilton“ nicht mehr an die Hotelkette, sondern an die Tochter des Hauses. Werbeverträge fliegen ihr nur so zu, und sie verdient Millionen damit, einfach nur „Marke“ zu sein.

Der erste und wichtigste Schlüssel zum Aufbau einer Marke ist das Alleinstellungsmerkmal. Um beim Beispiel Paris Hilton zu bleiben: Worin unterscheidet sie sich von anderen reichen Töchtern, die ganz gut aussehen und gerne Party machen? Sie lässt sich gerne mal beim Sex filmen und hat damit das Alleinstellungsmerkmal „Edelschlampe“ generiert.

Nicht jedes Unternehmen kann ein starkes Alleinstellungsmerkmal formulieren. Aber jedes sollte ein Merkmal entwickeln, das es von der Konkurrenz abhebt. Die Kölner Kfz-Werkstatt Auto-Schnelle arbeitet z.B. darauf hin, den Werkstattbesuch speziell für Frauen attraktiv zu machen. Neben kinderfreundlichen Angeboten (Kids-Club, Kindersitze etc.) hat sich das Unternehmen auf der Website www.frau-ist-schlau.de mit anderen Unternehmen aus dem Kfz-Bereich vernetzt. Oder das Münchener Möbelhaus KOKON, das als Lifestyle-Unternehmen ganz auf Unverwechselbarkeit setzt. Es bietet seinen Kunden u.a. ein Blumen-Abo: Den Abonnenten werden regelmäßig Sträuße, Arrangements und Tischdekorationen geliefert – ein Service, der nicht nur bei Firmen, sondern auch bei der Kernzielgruppe (wohlhabenden, anspruchsvollen Privatleuten) gut ankommt.

Das optimale Forum

Ist die Zielgruppe definiert und das Alleinstellungs­merkmal gefunden, sind die weiteren Schritte nicht schwer. Denn wenn es sich beim USP um eine echte Innovation handelt und die Ziel­gruppe dadurch einen echten Mehr­wert hat, ist das auch gleich eine Geschichte, die gerne veröffentlicht wird. Das Beispiel Kokon ist so u.a. für das IHK-Magazin 3/2007 interessant.

Jedes Ziel hat seine Zeitschrift
Soll eine bestimmte Alters­gruppe angesprochen werden, gibt es neben den jeweiligen Zielgruppen­publikation, von Bussibär über Bravo bis hin zu Seniorenratgebern, auch viele Special-Interest-Magazine für bestimmte Alters­gruppen mit definierten Interessen, etwa BravoScreenfun, GEOlino oder Wendy. Um sich einen Eindruck der Medien­vielfalt vor allem im Print­bereich zu verschaffen, lohnt sich der Blick in eine Bahnhofs­zeitschriften­handlung oder ins Inter­net: Bei Abo-Anbietern wie zum Beispiel Abo-Direkt finden sich gegliederte Listen mit fast allem, was der Zeitschriften­markt hergibt.

Das geeignete Medium ergibt sich aus der Zielgruppe. Im Printbereich kann die Medienwirksamkeit geradezu genial werden, wenn sich Unternehmen dafür entscheiden, gezielt weibliche Kundschaft anzusprechen, denn der Markt an Frauenzeitschriften ist gewaltig. Und beinahe jede enthält eine Servicestrecke, deren Redakteurinnen immer auf der Suche nach Neuigkeiten für Frauen sind. Liegt der Zielgruppenschwerpunkt auf einem demografischen Merkmal, weil das Unternehmen in einem engeren Radius arbeitet, eignen sich alle regionalen Sender, Zeitungen und Zeitschriften, bis hin zu Anzeigenblättern als Sprachrohr.

Serie: Online-Presseportale
Teil 1 sagt, was sich zwi­schen Twit­ter, You­Tube und Fo­ren für Firmen­nach­richten im Web ge­ändert hat. Teil 2 listet die ver­füg­baren Presse­portale im Inter­net auf, mit einem prak­ti­schen Kurz­kom­men­tar zu jedem Eintrag. Ein Extra-Beitrag er­klärt, wie Reich­weiten zu be­ur­teilen sind, und gibt hand­feste Tipps für den Gebrauch.

Fazit: Flexiblität und Erweiterung

Legt sich ein Unternehmen auf eine bestimmte Zielgruppe fest, bedeutet das noch lange nicht, dass es auf Kunden verzichtet, die aus dem Raster fallen. Seine definierte Zielgruppe zu kennen und sich auf eine weitere einzustellen, kann nicht nur neue Kunden bringen, sondern ist auch eine wichtige Voraussetzung, um ein Unternehmen dauerhaft im Markt zu positionieren.

Nützliche Links

Auf Präsenz Effizienz in Printmedien (PEP) findet man eine Menge praktischer Tipps, Anleitungen und Downloads. Ein Standardwerk ist von Peter Sawtschenko und Andreas Herden: Rasierte Stachelbeeren. So werden Sie die Nr. 1 im Kopf Ihrer Zielgruppe. Branding – erfolgreiche Marken-Positionierung für kleine und mittelständische Unternehmen. Offenbach: GABAL 2000 (Reihe GABAL Management). 263 S., ISBN 3-89749-080-3.