Innovations- und Gründerzentren im deutschen Südwesten: Wer Start-ups im deutschen Süd­westen fördert

Dass Technologie­zentren, Kreativ­quartiere und Digital-Campusse regen Zulauf finden, hat gute Gründe. Die prak­ti­schen Services gehören sicher dazu. Ebenso wichtig sind aber die enge Ver­netzung und das soziale Klein­klima einer inno­va­tiven Treib­haus­atmosphäre. Das zeigen an­schau­lich die folgen­den Beispiele.

Mitreißende Gründerstimmung

Von David Schahinian

Ein junges Pflänzchen wächst nicht ohne fruchtbaren Boden. Natürlich gibt es auch solche, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz ihren Weg zur Sonne durch Ritzen im Asphalt bahnen. Aber wozu sollten sich Gründer das Leben schwerer machen, als es ohnehin schon ist? Es gibt ja Umgebungen, in denen Starter Raum zum produktiven Wachsen haben und in den unkomplizierten Austausch mit anderen gehen können, die in einer ähnlichen Situation sind. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Anbietern, die derartige Infrastrukturen geschaffen haben. Start-ups haben gerade in den ersten Phasen ihrer Existenz genug um die Ohren. Umso schöner, wenn Unterstützung dann quasi vor der Haustür zu finden ist.

HUB31 in Darmstadt

An einem Ort wie Darmstadt, der schon seit 21 Jahren offiziell den Titel „Wissenschaftsstadt“ trägt, ist Gründungskultur besonders wichtig. Im Dezember 2017 eröffnete dort das HUB31. 60.000 m² Bürofläche bietet das Projekt, das die Stadt und die IHK Darmstadt Rhein Main Neckar gemeinsam ins Leben gerufen haben. Nicht nur dass Jungunternehmen dort unter anderem Räume, Kantinen und Coachings in Anspruch nehmen können – geplant ist das Technologie- und Gründerzentrum auch als zentraler Knotenpunkt für alle Start-up-Initiativen in der Stadt. Daher wird viel Wert auf die Abstimmung mit den örtlichen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen gelegt.

Nach einem knappen Jahr fällt die Zwischenbilanz gut aus, berichtet Geschäftsführer Dr. Sebastian Harrach. Das HUB31 – die Zahl leitet sich von der Hausnummer ab – biete offene Werkstätten und demnächst auch offene Labore, die von gemeinnützigen Vereinen betrieben werden. Deren Zweck sei die Unterstützung beim Selbermachen. „Die Kosten zur Nutzung sind aufgrund der ehrenamtlichen Arbeit konkurrenzlos niedrig, und die Kombination von Ehrenamtlern mit einem professionellen Träger ist jetzt schon ein Erfolgsmodell.“

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Harrachs Erfahrung zufolge benötigen Technologie-Start-ups vor allem flexible Rahmenbedingungen. Sie müssen die Möglichkeit haben, schnell auf veränderte Kundenbedarfe zu reagieren. „Nachgefragt wird am HUB31 entsprechend eine reaktionsschnelle Flexibilität. Sei es, am nächsten Tag ein Fotolabor einzurichten, ab nächstem Montag ein Büro für ein neues Sales-Team anzumieten, einen Kontakt zur Krankenkasse zu erhalten oder Beratung zur industriellen Trocknung von Lebensmitteln zu vermitteln.“

Inkubator im Unternehmen

An den Beispielen Harrachs wird deutlich, worum sich Gründer ansonsten selbst kümmern müssten. Manch größeres Unternehmen ist unterdessen dazu übergegangen, einen eigenen, aber offenen Bereich für Innovationen einzurichten. Dazu zählt die KION Group, Anbieter von Gabelstaplern, Lagertechnik und damit verbundenen Dienstleistungen. Der 2018 eröffnete KION Digital Campus in Frankfurt ist als kreative Keimzelle für neue digitale Lösungen und Geschäftsmodelle gedacht. Dazu arbeiten Strategen, UX-Designer und Entwickler gemeinsam an Projekten. „Er soll einen Beitrag zur Erreichung der übergeordneten Konzernstrategie KION 2027 leisten, in dem das Thema Digitalisierung eine zentrale Rolle spielt“, sagt Patrick Tomczak, Leiter des Digital Campus. Der Blick über den Tellerrand ist dabei Teil des Konzepts: „Externer Input ist bei digitalen Themen sehr wichtig. Wir können von zusätzlichem Wissen und neuen, frischen Ideen nur profitieren.“ Gruppenweit werde bereits der Austausch mit externen Partnern gesucht, und auch der Campus selbst biete ein spannendes Umfeld und viel Potenzial.

Den Unterschied zu klassischen Büros oder Werkstätten sieht Tomczak in der Architektur – sowohl der Teams als auch der Büros. Erstere biete viel Eigenverantwortung und Selbstorganisation und ermöglichen es dadurch, dynamisch und agil miteinander zu arbeiten. Die Arbeitsräume böten darüber hinaus viel Platz für kreativen Austausch, aber auch Rückzugsräume für die Teammitglieder: „Die Mischung macht es aus.“ Besonders interessant klingt in diesem Zusammenhang die Initiative Next Generation Workplace, die gruppenweit global umgesetzt wird. Derzeit werden hochmoderne und digitale Arbeitsplätze geschaffen, um die Mitarbeiter an allen mehr als 100 Standorten miteinander zu vernetzen. Tomczak: „Damit reißen wir zwar keine Wände in den Büros ein, aber treffen uns zumindest digital in einem offenen Raum.“

Serie: Innovations- und Gründerzentren
Der Einführungsbeitrag gibt eine erste Übersicht für Gründer und Start-ups. Dabei interessiert auch die Frage, wie sich die Locations auf den eigenen Erfolg und die Karriere auswirken. Teil 1 stellt dann konkrete Beispiele aus Berlin, Hamburg und anderen Orten im deutschen Norden und Osten vor. Teil 2 reist nach Köln, Dortmund, Mainz und Gummersbach, um die Technologiezentren an Rhein und Ruhr zu sichten. Überraschungen hat auch der Südwesten parat, von dem Teil 3 berichtet – aus Darmstadt und Stuttgart ebenso wie aus dem beschaulich-umtriebigen Bad Orb. Teil 4 geht schließlich in den Postleitzahlenbereich 8 und 9 nach Bayern und Thüringen: Auch außerhalb von München bekommen Gründer gute Unterstützung. Sonderbeiträge geben außerdem Auskunft über die Innovations- und Gründerzentren in Österreich und die dortige Start-up-Szene.

Überraschendes in Bad Orb

Rund 50 km Luftlinie entfernt von Frankfurt liegt Bad Orb – ein Ort, den man gemeinhin eher mit Gesundheitsurlaub statt mit jungen, kreativen Unternehmen in Verbindung bringt. Thomas Kypta hat dort drei Gebäude gekauft und zu einem Kreativquartier entwickelt. Darum herum haben sich inzwischen weitere Unternehmer angesiedelt. Inklusive der bereits zuvor bestehenden sind es nun zehn Standorte, die sich in einem Umkreis von 200 m zum Cluster kreative Gewerke zählen lassen.

Das allein reicht seiner Meinung nach aber nicht aus für ein Kreativquartier – zumindest, wenn es auch Besucher anziehen soll. Dann seien eine gastronomische Infrastruktur, öffentlicher Personennahverkehr und Parkplätze nötig: „Nur wenn die Menschen gut hin- und wieder wegkommen, stimmt die Frequenz.“ Zudem hebt Kypta den Aspekt der Stadtentwicklung hervor: Im Falle des Bad Orber Kreativquartiers und insgesamt mit der Idee, brachliegende Flächen zu revitalisieren, müsse man als Vermieter zunächst mit Leerständen und geringen Einnahmen rechnen. „Kreative Nutzungen ziehen aber Besucher an. Sie machen Lagen wieder attraktiv und können einen Wandel vollziehen.“

Steht ihm da das Kur-Image der Stadt im Weg? Nein, gewissermaßen macht es den Reiz aus: „Was anzieht, ist die Kombination aus schöner Natur, dem Naturpark Spessart, einem idyllischen, etwas aus der Zeit gefallenen Örtchen und dem überraschenden, weil dort nicht vermuteten Kreativquartier.“ Er erhalte durchweg positive Resonanz, da es ein beliebter und belebter Ort geworden ist.

Allerdings ist es wohl eher selten, dass ein solches Zentrum rein privat finanziert wird. Wer mit einer ähnlichen Idee spielt, ein eigenes Kreativquartier zu gründen: Thomas Kypta sieht vor allem drei Bausteine als erfolgsentscheidend an. Dies sind zunächst kreative Läden und Mieter, die Frequenz bringen und das Image aufwerten. Hinzu kommt die Gastronomie, die weitere Kunden anzieht. Beide tragen darüber hinaus zum gegenseitigen Erfolg bei. In den oberen Stockwerken der Gebäude vermietet er zudem Wohnungen, die ebenfalls zur Finanzierung eines solchen Projektes beitragen. Eine Einzelperson kann diese Aufgaben kaum alle alleine lösen: „Das Kreativquartier lebt von der Summe seiner Akteure.“

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Ende November 2018 stellte Manuela Engel-Dahan in Bad Orb bereits den zweiten Hessischen Mut-mach-Salon auf die Beine. Motto: „Vision oder Illusion – was sagt der innere Kompass?“ (Bild: Manuela Engel-Dahan – Form Your World)

„Gemeinsam können wir viel erreichen!“ war auch ein Motto des 1. Hessischen Mut-Mach-Salons, der im Sommer 2018 in Bad Orb stattfand, ausgerichtet vom selbst noch relativ jungen Schließtechnikunternehmen LockYourWorld und seiner Leiterin, der „Unternehmerin aus Leidenschaft“ Manuela Engel-Dahan. Parallel zum Event gibt es außerdem die Langzeitinitiative Form Your World „zur Beförderung und Pflege von Unternehmer- & Unternehmerinnengeist, menschlicher Unternehmenskultur und beruflicher Erfüllung“. Engel-Dahan liegt vor allem daran, Frauen den Beruf der Unternehmerin näher zu bringen und sie dafür zu begeistern. Und am besten funktioniert das mit leibhaftigen Vorbildern. So ist sie selbst BMWi-Vorbild-Unternehmerin, und formuliert für den Mut-Mach-Salon ein klares Ziel: „gelebte Lösungsmodelle aufzeigen und miteinander ins Gespräch kommen.“

Netzwerken in Containern

Natürlich gibt es auch andere Gründerzentren und Umgebungen für Start-ups, die sich mit individuellen Besonderheiten an eine ganz bestimmte Klientel wenden. Dazu kann man etwa das Perfekt Futur in Karlsruhe zählen: eine ehemalige Schweinemarkthalle auf dem alten Schlachthof aus den Jahren 1927/28, die vor allem der Kreativ- und Kulturbranche offensteht. Gearbeitet wird in gebrauchten Seefrachtcontainern aus Rotterdam, von denen Gründer zwischen einem und drei anmieten können.

Auch der 2013 eröffnete Grünhof in Freiburg verfolgt ein spezielles Konzept. Im Mittelpunkt steht der Gedanke des Austauschs und der Gemeinschaft. Ziel ist es, eine Plattform für Gründungskultur, Unternehmertum, Gemeinwohlökonomie und Kultur zu schaffen. Unter anderem werden Arbeitsplätze und Räume vermietet sowie verschiedene Inkubations- und Förderprogramme angeboten. Darüber hinaus gibt es Mitmachformate wie das Peer-2-Peer-Labor, in dem Gründer gemeinsam mit mehreren Mitgliedern der Grünhof-Community in einem Workshop Lösungen für ihre drängendsten Fragen entwickeln können.

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Das Stuttgarter GIS hat eine eigene Infoseite, auf der das Leerstands- und Zwischennutzungsmanagement freie Flächen für Gründer und Kreative vermittelt. (Bild: Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt Stuttgart)

Gründer als Stadtentwickler

Einen kreativen Weg ist auch die Stadt Stuttgart gegangen: Sie hat das Problem leerstehender Flächen sowie den Raumbedarf von Gründern erkannt – und ein Leerstands- und Zwischennutzungsmanagement eingerichtet. „Mehrheitlich kommen die Nutzungen aus dem Bereich Kreativwirtschaft“, berichtet Maike Jacoby von der städtischen Wirtschaftsförderung. Die Nutzungsdauer sei unterschiedlich und abhängig vom jeweiligen Konzept der Mieter: „Von einmaligen Veranstaltungen wie beispielsweise Modenschauen bis hin zu jahrelangen Nutzungen, etwa durch Einzelhandel, ist alles vertreten.“

Serie: Smart City

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Teil 1 gibt eine erste Einführung und stellt als Beispiele die Konzepte in Hamburg, Berlin und Göttingen vor. Teil 2 geht nach Bayern und berichtet, was sich in den Münchner Modellvierteln tut. Teil 3 wechselt über die Grenze nach Österreich – dort hat man nämlich bereits eine nationale Smart-City-Strategie und ist führend im Passivhausbau. Teil 4 stürzt sich dann mitten in die Metropolregion Ruhrgebiet und berichtet unter anderem von der digitalsten Stadt Deutschlands. Den deutschen Südwesten nimmt sich zuletzt Teil 5 dieser Serie vor. Ein Extrabeitrag hat außerdem Beispiele dafür zusammengetragen, was Green IT zur Smart City beitragen kann. (Bild: zapp2photo – Fotolia)

Das Modell schafft Vorteile für beide Seiten: „Leerstände bergen Risiken für das jeweilige Stadtquartier, da sie zu einem Frequenzrückgang oder wegen mangelnder Pflege der Immobilie zu einer Verschlechterung der Stadtbilder führen können“, erklärt Maike Jacoby. Gleichzeitig böten sie aber auch Chancen für eine kreative Belebung, indem jungen und möglicherweise unerfahrenen Existenzgründern der Start erleichtert wird: „Konzepte können mit vergleichsweise geringem Risiko an prominenter Stelle auf Tauglichkeit getestet und im besten Fall auch langfristig etabliert werden.“ Als objektive Stelle könne die Wirtschaftsförderung für das Thema im Allgemeinen und für die Bereitstellung geeigneter Flächen im Besonderen werben. „Wir übernehmen außerdem eine Lotsenfunktion innerhalb der Stadtverwaltung und ermöglichen dadurch eine bessere Koordination von Genehmigungsprozessen.“

Seit dem Start im Juli 2012 wurde das Konzept weiterentwickelt. So wurde unter anderem ein Leitfaden für Zwischennutzer erstellt, der einen Überblick über alle notwendigen Schritte gibt. Zudem wurde eine interdisziplinäre Projektgruppe gegründet, in der verschiedene Ämter regelmäßig im Bereich Zwischennutzung miteinander kooperieren. 2016 wurde schließlich eine Online-Börse eingerichtet, die Interessierten eine Übersicht zu aktuellen Leerständen bietet. Eigentümer, die ihr Angebot dort nicht veröffentlichen wollen, können aber auch direkt vermittelt werden.

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David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.

Der Streifzug durch die Angebote für Gründer, Erfinder und Start-ups zeigt, wie viele Möglichkeiten junge Unternehmer – und Unternehmerinnen! – mittlerweile haben, Unterstützung zu erhalten. Für alle Beteiligten, insbesondere jene mit frischen oder unkonventionellen Ideen, gilt aber nach wie vor der Satz des Philosophen Ernst Bloch: „Man muss ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern.“

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